sik kein Platz ist, anders als nur sehr kurz über sein Werk zu erklären. Die ursprüngliche und nothwendige Duplicität in der Kraft, die das Daseyn eines jeden Din- ges constituiren soll (S. 27.), muss ich gänzlich ableugnen. Und eine solche Duplicität zuletzt aus einer absoluten Einheit abzuleiten, kann meiner Meinung nach keine Aufgabe für die Speculation seyn, weil umgekehrt es zu den Aufgaben derselben gehört, alle dergleichen undenk- bare Einheiten, aus denen eine Vielheit entspringen soll, (zu deren Annahme manche Phänomene des Geistes und der Natur allerdings verleiten), gänzlich hinwegzuschaf- fen, und die Wissenschaft von ihnen zu reinigen. So kann ich denn auch in keine Gemeinschaft treten mit einer Philosophie, welche das Unendliche als Grund des Endlichen, und dieses als Erscheinung von jenem be- trachtet (S. 5.). Dergleichen Philosophie muss ich dem Spinoza und seinen Erneuerern überlassen; indem ich überzeugt bin, dass von dem, was wahrhaft Ist, sowohl die Unendlichkeit als die Endlichkeit muss verneint wer- den; und dass die Endlichkeit noch überdies auf eine un- geschickte Weise in die Unendlichkeit hineingeschoben wird, von denen, die sich mit diesen Vorstellungsarten tragen; welches Ungeschickte zu verbessern jeder Ver- such vergeblich ist, weil die Unendlichkeit, wenn sie selbst den Keim enthielte, aus dem die Endlichkeit könnte abgeleitet werden, mit sich selbst im Widerspruche stände. -- Wäre nicht nach diesen Erklärungen jedes weitere Wort überflüssig: so würde ich noch hinzusetzen, dass ich in dem genannten Buche die vorläufige Erörte- rung dessen, was die innere Wahrnehmung geben und nicht geben kann, und die genaue Angabe der Art und Weise vermisse, wie an die Wahrnehmung, und die von ihr dargebotenen Erkenntniss-Principien, die Speculation sey angeknüpft worden.
§. 22.
Noch Einer ist übrig, zu welchem wir näher hinzu- treten müssen, nämlich Fichte. Nicht zwar, um von
sik kein Platz ist, anders als nur sehr kurz über sein Werk zu erklären. Die ursprüngliche und nothwendige Duplicität in der Kraft, die das Daseyn eines jeden Din- ges constituiren soll (S. 27.), muſs ich gänzlich ableugnen. Und eine solche Duplicität zuletzt aus einer absoluten Einheit abzuleiten, kann meiner Meinung nach keine Aufgabe für die Speculation seyn, weil umgekehrt es zu den Aufgaben derselben gehört, alle dergleichen undenk- bare Einheiten, aus denen eine Vielheit entspringen soll, (zu deren Annahme manche Phänomene des Geistes und der Natur allerdings verleiten), gänzlich hinwegzuschaf- fen, und die Wissenschaft von ihnen zu reinigen. So kann ich denn auch in keine Gemeinschaft treten mit einer Philosophie, welche das Unendliche als Grund des Endlichen, und dieses als Erscheinung von jenem be- trachtet (S. 5.). Dergleichen Philosophie muſs ich dem Spinoza und seinen Erneuerern überlassen; indem ich überzeugt bin, daſs von dem, was wahrhaft Ist, sowohl die Unendlichkeit als die Endlichkeit muſs verneint wer- den; und daſs die Endlichkeit noch überdies auf eine un- geschickte Weise in die Unendlichkeit hineingeschoben wird, von denen, die sich mit diesen Vorstellungsarten tragen; welches Ungeschickte zu verbessern jeder Ver- such vergeblich ist, weil die Unendlichkeit, wenn sie selbst den Keim enthielte, aus dem die Endlichkeit könnte abgeleitet werden, mit sich selbst im Widerspruche stände. — Wäre nicht nach diesen Erklärungen jedes weitere Wort überflüssig: so würde ich noch hinzusetzen, daſs ich in dem genannten Buche die vorläufige Erörte- rung dessen, was die innere Wahrnehmung geben und nicht geben kann, und die genaue Angabe der Art und Weise vermisse, wie an die Wahrnehmung, und die von ihr dargebotenen Erkenntniſs-Principien, die Speculation sey angeknüpft worden.
§. 22.
Noch Einer ist übrig, zu welchem wir näher hinzu- treten müssen, nämlich Fichte. Nicht zwar, um von
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sik kein Platz ist, anders als nur sehr kurz über sein
Werk zu erklären. Die ursprüngliche und nothwendige
Duplicität in der Kraft, die das Daseyn eines jeden Din-
ges constituiren soll (S. 27.), muſs ich gänzlich ableugnen.
Und eine solche Duplicität zuletzt aus einer absoluten
Einheit abzuleiten, kann meiner Meinung nach keine
Aufgabe für die Speculation seyn, weil umgekehrt es zu
den Aufgaben derselben gehört, alle dergleichen undenk-
bare Einheiten, aus denen eine Vielheit entspringen soll,
(zu deren Annahme manche Phänomene des Geistes und
der Natur allerdings verleiten), gänzlich hinwegzuschaf-
fen, und die Wissenschaft von ihnen zu reinigen. So
kann ich denn auch in keine Gemeinschaft treten mit
einer Philosophie, welche das Unendliche als Grund des
Endlichen, und dieses als Erscheinung von jenem be-
trachtet (S. 5.). Dergleichen Philosophie muſs ich dem
Spinoza und seinen Erneuerern überlassen; indem ich
überzeugt bin, daſs von dem, was wahrhaft Ist, sowohl
die Unendlichkeit als die Endlichkeit muſs verneint wer-
den; und daſs die Endlichkeit noch überdies auf eine un-
geschickte Weise in die Unendlichkeit hineingeschoben
wird, von denen, die sich mit diesen Vorstellungsarten
tragen; welches Ungeschickte zu verbessern jeder Ver-
such vergeblich ist, weil die Unendlichkeit, wenn sie
selbst den Keim enthielte, aus dem die Endlichkeit könnte
abgeleitet werden, mit sich selbst im Widerspruche
stände. — Wäre nicht nach diesen Erklärungen jedes
weitere Wort überflüssig: so würde ich noch hinzusetzen,
daſs ich in dem genannten Buche die vorläufige Erörte-
rung dessen, was die innere Wahrnehmung geben und
nicht geben kann, und die genaue Angabe der Art und
Weise vermisse, wie an die Wahrnehmung, und die von
ihr dargebotenen Erkenntniſs-Principien, die Speculation
sey angeknüpft worden.
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Noch Einer ist übrig, zu welchem wir näher hinzu-
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Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 1. Königsberg, 1824, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie01_1824/92>, abgerufen am 09.11.2024.
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