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Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 2. Königsberg, 1825.

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alles Band, das sich aufweisen liesse, ferner bestehen las-
sen solle. Alles dieses zu fragen bleibt der Philosophie
überlassen; die sogar selbst sich lange und nur zu lange
in dieser Frage verwickelt, ehe sie dieselbe nur rein aus-
sprechen lernt. Man vergleiche §. 118.

Gerade so nun, wie überall bey der Vorstellung ei-
nes jeden Dinges die Merkmale im gleichzeitigen Vor-
stellen eine Complexion bilden, wie diese Complexion
vielemal wieder ins Bewusstseyn gerufen wird, und als-
dann neue Merkmale aufnimmt; wie sie zu Urtheilen,
bald positiven bald negativen, das Subject darbietet,
(§. 123.) -- so verhält es sich auch mit derjenigen ersten
Vorstellung von uns selbst, die aus der Wahrnehmung
unseres Leibes, und unserer Gefühle entspringt. Nur ist
dabey zu bemerken, dass unsre Gefühle sich ursprünglich
in diejenigen Vorstellungen hineincompliciren, welche den
äussern Dingen angehören. Darum wird das Feuer heiss
genannt, obgleich die Hitze lediglich unser unangenehmes
Gefühl ist. Eben so bezeichnen die Worte hart und
weich, und zahllose andre, eigentlich unser Gefühl bey
der Berührung gewisser Körper; und gelten dennoch für
Prädicate dieser Körper. Allein da die Hand, oder ein
andrer Theil des Leibes, erst dem heissen oder harten
Körper nahe kommen muss, wenn die Wahrnehmung
dieser Prädicate des Körpers eintreten soll: so bekommt
auch die Hand das Merkmal, dass es sie schmerze; und
dies um so mehr, da der Schmerz noch dauert, wenn
schon jener Körper entfernt ist. -- Auf ähnliche Weise
nennt man die Farben hell und dunkel; ja sogar Orte,
Zimmer, u. d. gl. werden so unterschieden; obgleich dies
sich bloss auf unser Sehen bezieht. Nichtsdestoweniger
complicirt sich das Erscheinen der Gegenstände auch mit
dem Gefühl des Oeffnens der Augenlieder, und das Ver-
schwinden jener mit dem Gefühl der Schliessung der letz-
teren. Sehr viele Erfahrungen sind nöthig, um diejeni-
gen Empfindungen, welche zuerst auf die Gegenstände
als deren Merkmale übertragen wurden, auch noch in

alles Band, das sich aufweisen lieſse, ferner bestehen las-
sen solle. Alles dieses zu fragen bleibt der Philosophie
überlassen; die sogar selbst sich lange und nur zu lange
in dieser Frage verwickelt, ehe sie dieselbe nur rein aus-
sprechen lernt. Man vergleiche §. 118.

Gerade so nun, wie überall bey der Vorstellung ei-
nes jeden Dinges die Merkmale im gleichzeitigen Vor-
stellen eine Complexion bilden, wie diese Complexion
vielemal wieder ins Bewuſstseyn gerufen wird, und als-
dann neue Merkmale aufnimmt; wie sie zu Urtheilen,
bald positiven bald negativen, das Subject darbietet,
(§. 123.) — so verhält es sich auch mit derjenigen ersten
Vorstellung von uns selbst, die aus der Wahrnehmung
unseres Leibes, und unserer Gefühle entspringt. Nur ist
dabey zu bemerken, daſs unsre Gefühle sich ursprünglich
in diejenigen Vorstellungen hineincompliciren, welche den
äuſsern Dingen angehören. Darum wird das Feuer heiſs
genannt, obgleich die Hitze lediglich unser unangenehmes
Gefühl ist. Eben so bezeichnen die Worte hart und
weich, und zahllose andre, eigentlich unser Gefühl bey
der Berührung gewisser Körper; und gelten dennoch für
Prädicate dieser Körper. Allein da die Hand, oder ein
andrer Theil des Leibes, erst dem heiſsen oder harten
Körper nahe kommen muſs, wenn die Wahrnehmung
dieser Prädicate des Körpers eintreten soll: so bekommt
auch die Hand das Merkmal, daſs es sie schmerze; und
dies um so mehr, da der Schmerz noch dauert, wenn
schon jener Körper entfernt ist. — Auf ähnliche Weise
nennt man die Farben hell und dunkel; ja sogar Orte,
Zimmer, u. d. gl. werden so unterschieden; obgleich dies
sich bloſs auf unser Sehen bezieht. Nichtsdestoweniger
complicirt sich das Erscheinen der Gegenstände auch mit
dem Gefühl des Oeffnens der Augenlieder, und das Ver-
schwinden jener mit dem Gefühl der Schlieſsung der letz-
teren. Sehr viele Erfahrungen sind nöthig, um diejeni-
gen Empfindungen, welche zuerst auf die Gegenstände
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[262/0297] alles Band, das sich aufweisen lieſse, ferner bestehen las- sen solle. Alles dieses zu fragen bleibt der Philosophie überlassen; die sogar selbst sich lange und nur zu lange in dieser Frage verwickelt, ehe sie dieselbe nur rein aus- sprechen lernt. Man vergleiche §. 118. Gerade so nun, wie überall bey der Vorstellung ei- nes jeden Dinges die Merkmale im gleichzeitigen Vor- stellen eine Complexion bilden, wie diese Complexion vielemal wieder ins Bewuſstseyn gerufen wird, und als- dann neue Merkmale aufnimmt; wie sie zu Urtheilen, bald positiven bald negativen, das Subject darbietet, (§. 123.) — so verhält es sich auch mit derjenigen ersten Vorstellung von uns selbst, die aus der Wahrnehmung unseres Leibes, und unserer Gefühle entspringt. Nur ist dabey zu bemerken, daſs unsre Gefühle sich ursprünglich in diejenigen Vorstellungen hineincompliciren, welche den äuſsern Dingen angehören. Darum wird das Feuer heiſs genannt, obgleich die Hitze lediglich unser unangenehmes Gefühl ist. Eben so bezeichnen die Worte hart und weich, und zahllose andre, eigentlich unser Gefühl bey der Berührung gewisser Körper; und gelten dennoch für Prädicate dieser Körper. Allein da die Hand, oder ein andrer Theil des Leibes, erst dem heiſsen oder harten Körper nahe kommen muſs, wenn die Wahrnehmung dieser Prädicate des Körpers eintreten soll: so bekommt auch die Hand das Merkmal, daſs es sie schmerze; und dies um so mehr, da der Schmerz noch dauert, wenn schon jener Körper entfernt ist. — Auf ähnliche Weise nennt man die Farben hell und dunkel; ja sogar Orte, Zimmer, u. d. gl. werden so unterschieden; obgleich dies sich bloſs auf unser Sehen bezieht. Nichtsdestoweniger complicirt sich das Erscheinen der Gegenstände auch mit dem Gefühl des Oeffnens der Augenlieder, und das Ver- schwinden jener mit dem Gefühl der Schlieſsung der letz- teren. Sehr viele Erfahrungen sind nöthig, um diejeni- gen Empfindungen, welche zuerst auf die Gegenstände als deren Merkmale übertragen wurden, auch noch in

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Zitationshilfe: Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 2. Königsberg, 1825, S. 262. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie02_1825/297>, abgerufen am 22.11.2024.