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Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 2. Königsberg, 1825.

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auch Begriffe heissen können, (§. 120.) fortschreiten
müsse.

Wir müssen hier einen Blick werfen auf eine Frage,
welche bey den Untersuchungen über die Mechanik des
Geistes Jedem einfallen musste; nämlich die Frage nach
der dort oft vorkommenden Einheit der Zeit; und
nach der Vergleichung zwischen derjenigen Zeit, welche
wir als durch den Wechsel unserer Vorstellungen wirk-
lich verbraucht
denken müssen, und der vorge-
stellten
Zeit, von der wir jetzo reden. Ich habe schon
früher bemerkt, dass ich jene Einheit der Zeit (deren
genaue Bestimmung sehr schwer seyn dürfte) ungefähr
mit unsern Minuten und Secunden glaube vergleichen zu
können. Wäre die Einheit viel kleiner als eine Se-
cunde: so müssten ihre Brüche durch den, während der-
selben sich ereignenden, Wechsel unserer Vorstellungen,
es uns möglich machen, kleinere Theilchen einer Se-
cunde zu unterscheiden, als wir dieses zu thun im Stande
sind. Die Zeit, in welcher unser Erdball einen Fuss
durchläuft, kann nur darum für uns unmerklich seyn,
weil während derselben unsre Vorstellungen so gut als
still stehn; das heisst, weil die Hemmungssummen in ihr
um einen so geringen Theil sinken, der neben ihrer
eignen Grösse verschwindet. -- Aber auch viel grösser
als eine Minute wird die erwähnte Einheit schwerlich zu
schätzen seyn; weil das Gesetz der abnehmenden Em-
pfänglichkeit während der Dauer einer Wahrnehmung
(§. 94.) sich gar zu bald fühlbar macht. Die rohe
Schätzung des Zeitmaasses, worauf wir nach diesen Be-
merkungen die Rechnungen der Mechanik des Geistes zu
beziehen haben, lässt das Bedürfniss der Verbesserung
eben nicht sehr empfinden, indem wir durch die Rech-
nung eigentlich nichts ausmessen wollen, sondern nur
die Kenntniss der allgemeinen Gesetze des Laufs der
geistigen Veränderungen zu erlangen wünschen. --

Begreiflicher Weise gilt die hier versuchte Schätzung
der Zeit-Einheit lediglich für den Menschen; indem sie

auch Begriffe heiſsen können, (§. 120.) fortschreiten
müsse.

Wir müssen hier einen Blick werfen auf eine Frage,
welche bey den Untersuchungen über die Mechanik des
Geistes Jedem einfallen muſste; nämlich die Frage nach
der dort oft vorkommenden Einheit der Zeit; und
nach der Vergleichung zwischen derjenigen Zeit, welche
wir als durch den Wechsel unserer Vorstellungen wirk-
lich verbraucht
denken müssen, und der vorge-
stellten
Zeit, von der wir jetzo reden. Ich habe schon
früher bemerkt, daſs ich jene Einheit der Zeit (deren
genaue Bestimmung sehr schwer seyn dürfte) ungefähr
mit unsern Minuten und Secunden glaube vergleichen zu
können. Wäre die Einheit viel kleiner als eine Se-
cunde: so müſsten ihre Brüche durch den, während der-
selben sich ereignenden, Wechsel unserer Vorstellungen,
es uns möglich machen, kleinere Theilchen einer Se-
cunde zu unterscheiden, als wir dieses zu thun im Stande
sind. Die Zeit, in welcher unser Erdball einen Fuſs
durchläuft, kann nur darum für uns unmerklich seyn,
weil während derselben unsre Vorstellungen so gut als
still stehn; das heiſst, weil die Hemmungssummen in ihr
um einen so geringen Theil sinken, der neben ihrer
eignen Gröſse verschwindet. — Aber auch viel gröſser
als eine Minute wird die erwähnte Einheit schwerlich zu
schätzen seyn; weil das Gesetz der abnehmenden Em-
pfänglichkeit während der Dauer einer Wahrnehmung
(§. 94.) sich gar zu bald fühlbar macht. Die rohe
Schätzung des Zeitmaaſses, worauf wir nach diesen Be-
merkungen die Rechnungen der Mechanik des Geistes zu
beziehen haben, läſst das Bedürfniſs der Verbesserung
eben nicht sehr empfinden, indem wir durch die Rech-
nung eigentlich nichts ausmessen wollen, sondern nur
die Kenntniſs der allgemeinen Gesetze des Laufs der
geistigen Veränderungen zu erlangen wünschen. —

Begreiflicher Weise gilt die hier versuchte Schätzung
der Zeit-Einheit lediglich für den Menschen; indem sie

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[356/0391] auch Begriffe heiſsen können, (§. 120.) fortschreiten müsse. Wir müssen hier einen Blick werfen auf eine Frage, welche bey den Untersuchungen über die Mechanik des Geistes Jedem einfallen muſste; nämlich die Frage nach der dort oft vorkommenden Einheit der Zeit; und nach der Vergleichung zwischen derjenigen Zeit, welche wir als durch den Wechsel unserer Vorstellungen wirk- lich verbraucht denken müssen, und der vorge- stellten Zeit, von der wir jetzo reden. Ich habe schon früher bemerkt, daſs ich jene Einheit der Zeit (deren genaue Bestimmung sehr schwer seyn dürfte) ungefähr mit unsern Minuten und Secunden glaube vergleichen zu können. Wäre die Einheit viel kleiner als eine Se- cunde: so müſsten ihre Brüche durch den, während der- selben sich ereignenden, Wechsel unserer Vorstellungen, es uns möglich machen, kleinere Theilchen einer Se- cunde zu unterscheiden, als wir dieses zu thun im Stande sind. Die Zeit, in welcher unser Erdball einen Fuſs durchläuft, kann nur darum für uns unmerklich seyn, weil während derselben unsre Vorstellungen so gut als still stehn; das heiſst, weil die Hemmungssummen in ihr um einen so geringen Theil sinken, der neben ihrer eignen Gröſse verschwindet. — Aber auch viel gröſser als eine Minute wird die erwähnte Einheit schwerlich zu schätzen seyn; weil das Gesetz der abnehmenden Em- pfänglichkeit während der Dauer einer Wahrnehmung (§. 94.) sich gar zu bald fühlbar macht. Die rohe Schätzung des Zeitmaaſses, worauf wir nach diesen Be- merkungen die Rechnungen der Mechanik des Geistes zu beziehen haben, läſst das Bedürfniſs der Verbesserung eben nicht sehr empfinden, indem wir durch die Rech- nung eigentlich nichts ausmessen wollen, sondern nur die Kenntniſs der allgemeinen Gesetze des Laufs der geistigen Veränderungen zu erlangen wünschen. — Begreiflicher Weise gilt die hier versuchte Schätzung der Zeit-Einheit lediglich für den Menschen; indem sie

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Zitationshilfe: Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 2. Königsberg, 1825, S. 356. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie02_1825/391>, abgerufen am 24.11.2024.