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Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 2. Königsberg, 1825.

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aus den physiologischen Gründen die Grösse D als eine
solche hervorginge, um welche schlechterdings, und ohne
Abzug, das Quantum des vorhandenen Vorstellens müsste
vermindert werden. So etwas lässt sich kaum denken.
Denn diese Negation des Vorstellens muss aus den in-
nern und äusseren Zuständen der sämmtlichen Elemente
des Organismus (zunächst des Nervensystems) entsprin-
gen. Es sind aber nach den ersten Grundbegriffen der
Psychologie und Naturphilosophie, alle innern sowohl als
äusseren Zustände der Wesen in gewissem Grade nach-
giebig
, d. h. wo sie leiden machen, da müssen sie
selbst
wiederum etwas leiden.

Passender scheint es demnach, die Negation des
Vorstellens als eine mitwirkende, aber zugleich mitlei-
dende Kraft in die Rechnung einzuführen. Man nenne
also diese Kraft jetzt M, und die im Bewusstseyn vor-
handenen Vorstellungen seyen a und b; so wird man für
a, b, und M, eben so rechnen wie oben für a, b, und c;
nur mit dem Unterschiede, dass M nicht gerade die
schwächste der wider einander wirkenden Kräfte seyn
soll, sondern jede beliebige Grösse haben kann. Hier
sieht man nun zwar, dass M unendlich gross seyn müsste,
und sowohl a, als b, ganz aus dem Bewusstseyn zu ver-
drängen; ja dass es damit doch nicht völlig zu Stande
kommen würde. (Vergl. den Schluss des §. 44., wo b
dasselbe ist, was hier a seyn müsste.)

Aber man kann sehr leicht die eben gemachte Vor-
aussetzung dergestalt abändern, dass sie den vollkomm-
nen Schlaf, oder die völlige Aufhebung alles Vorstellens
erkläre. Anstatt der einzigen Kraft M, nehme man ihrer
zwey, M und N, oder noch mehrere, deren jede mit der
andern in gegenseitiger Hemmung stehe. Alsdann braucht
jede der mehrern nur eine mässige Stärke, damit sie zu-
sammengenommen die vorhandenen Vorstellungen völlig
auslöschen, ganz nach den Hemmungsgesetzen, welche
oben für die Vorstellungen, die dort auch als wider ein-
ander strebende Kräfte betrachtet wurden, sich ergeben

aus den physiologischen Gründen die Gröſse D als eine
solche hervorginge, um welche schlechterdings, und ohne
Abzug, das Quantum des vorhandenen Vorstellens müſste
vermindert werden. So etwas läſst sich kaum denken.
Denn diese Negation des Vorstellens muſs aus den in-
nern und äuſseren Zuständen der sämmtlichen Elemente
des Organismus (zunächst des Nervensystems) entsprin-
gen. Es sind aber nach den ersten Grundbegriffen der
Psychologie und Naturphilosophie, alle innern sowohl als
äuſseren Zustände der Wesen in gewissem Grade nach-
giebig
, d. h. wo sie leiden machen, da müssen sie
selbst
wiederum etwas leiden.

Passender scheint es demnach, die Negation des
Vorstellens als eine mitwirkende, aber zugleich mitlei-
dende Kraft in die Rechnung einzuführen. Man nenne
also diese Kraft jetzt M, und die im Bewuſstseyn vor-
handenen Vorstellungen seyen a und b; so wird man für
a, b, und M, eben so rechnen wie oben für a, b, und c;
nur mit dem Unterschiede, daſs M nicht gerade die
schwächste der wider einander wirkenden Kräfte seyn
soll, sondern jede beliebige Gröſse haben kann. Hier
sieht man nun zwar, daſs M unendlich groſs seyn müſste,
und sowohl a, als b, ganz aus dem Bewuſstseyn zu ver-
drängen; ja daſs es damit doch nicht völlig zu Stande
kommen würde. (Vergl. den Schluſs des §. 44., wo b
dasselbe ist, was hier a seyn müſste.)

Aber man kann sehr leicht die eben gemachte Vor-
aussetzung dergestalt abändern, daſs sie den vollkomm-
nen Schlaf, oder die völlige Aufhebung alles Vorstellens
erkläre. Anstatt der einzigen Kraft M, nehme man ihrer
zwey, M und N, oder noch mehrere, deren jede mit der
andern in gegenseitiger Hemmung stehe. Alsdann braucht
jede der mehrern nur eine mäſsige Stärke, damit sie zu-
sammengenommen die vorhandenen Vorstellungen völlig
auslöschen, ganz nach den Hemmungsgesetzen, welche
oben für die Vorstellungen, die dort auch als wider ein-
ander strebende Kräfte betrachtet wurden, sich ergeben

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[491/0526] aus den physiologischen Gründen die Gröſse D als eine solche hervorginge, um welche schlechterdings, und ohne Abzug, das Quantum des vorhandenen Vorstellens müſste vermindert werden. So etwas läſst sich kaum denken. Denn diese Negation des Vorstellens muſs aus den in- nern und äuſseren Zuständen der sämmtlichen Elemente des Organismus (zunächst des Nervensystems) entsprin- gen. Es sind aber nach den ersten Grundbegriffen der Psychologie und Naturphilosophie, alle innern sowohl als äuſseren Zustände der Wesen in gewissem Grade nach- giebig, d. h. wo sie leiden machen, da müssen sie selbst wiederum etwas leiden. Passender scheint es demnach, die Negation des Vorstellens als eine mitwirkende, aber zugleich mitlei- dende Kraft in die Rechnung einzuführen. Man nenne also diese Kraft jetzt M, und die im Bewuſstseyn vor- handenen Vorstellungen seyen a und b; so wird man für a, b, und M, eben so rechnen wie oben für a, b, und c; nur mit dem Unterschiede, daſs M nicht gerade die schwächste der wider einander wirkenden Kräfte seyn soll, sondern jede beliebige Gröſse haben kann. Hier sieht man nun zwar, daſs M unendlich groſs seyn müſste, und sowohl a, als b, ganz aus dem Bewuſstseyn zu ver- drängen; ja daſs es damit doch nicht völlig zu Stande kommen würde. (Vergl. den Schluſs des §. 44., wo b dasselbe ist, was hier a seyn müſste.) Aber man kann sehr leicht die eben gemachte Vor- aussetzung dergestalt abändern, daſs sie den vollkomm- nen Schlaf, oder die völlige Aufhebung alles Vorstellens erkläre. Anstatt der einzigen Kraft M, nehme man ihrer zwey, M und N, oder noch mehrere, deren jede mit der andern in gegenseitiger Hemmung stehe. Alsdann braucht jede der mehrern nur eine mäſsige Stärke, damit sie zu- sammengenommen die vorhandenen Vorstellungen völlig auslöschen, ganz nach den Hemmungsgesetzen, welche oben für die Vorstellungen, die dort auch als wider ein- ander strebende Kräfte betrachtet wurden, sich ergeben

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Zitationshilfe: Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 2. Königsberg, 1825, S. 491. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie02_1825/526>, abgerufen am 22.11.2024.