haben. Dies durch eine eigne Rechnung darzuthun wäre überflüssig, da dieselbe sich bloss in den Buchstaben von der oben geführten unterscheiden würde.
Unsre jetzige Voraussetzung nun scheint allen Um- ständen, und der Erfahrung ebenfalls zu entsprechen. Sie erfordert, dass wir nicht den gesammten physiologi- schen Einfluss als Ein Quantum, sondern als ein Man- cherley und Vielerley, das unter sich selbst Gegensätze bildet, in Betracht ziehn. Und was hätten wir zu der erstern Hypothese für Grund? Der Organismus ist ein Vieles, das gar Viele, und unter sich streitende, Ein- flüsse auf die Seele haben mag. Gerade die Unbestimmt- heit des Begriffs: Mehrere, ohne anzugeben Wie viele, schickt sich hieher, wo man über die Menge der Causalverhältnisse zwischen Leib und Seele nichts be- stimmen kann noch will. -- Die Erfahrung aber zeigt uns, erstlich, dass eine unabänderliche Quantität, wie viel das Vorstellen verlieren müsse (wie das obige D) nicht statt findet. Denn der Schlaf kann zurückgehalten, er kann gestört werden durch alles, was die Lebhaftig- keit des Vorstellens erhöht. Sichtbar ist demnach die Fähigkeit des Organismus, sich auch seinerseits um Etwas nach den psychologischen Zuständen zu richten. Zwey- tens, sie zeigt uns den vollkommnen Schlaf, oder etwas demselben äusserst nahe kommendes, (wenn man ja sich hüten will, zuviel zu behaupten; obgleich die Gründe, um derentwillen Manche ein fortdauerndes Vorstellen auch im tiefsten Schlafe annehmen, nur aus falscher Metaphy- sik entspringen.) Also die Erfahrung vereint Nachgie- bigkeit des Organismus mit völliger Hemmung aller Vor- stellungen; welches uns eben auf unsre zuletzt vestgehal- tene Voraussetzung geleitet hat.
Uebrigens wird man längstens genug gewarnt seyn, um nicht den Ausdruck: Einfluss des Organismus auf die Seele, gar zu buchstäblich zu nehmen. Zu den Vorstellungen, als inneren Zuständen der Seele, ge- hören irgend welche innern Zustände des Gehirns; so-
haben. Dies durch eine eigne Rechnung darzuthun wäre überflüssig, da dieselbe sich bloſs in den Buchstaben von der oben geführten unterscheiden würde.
Unsre jetzige Voraussetzung nun scheint allen Um- ständen, und der Erfahrung ebenfalls zu entsprechen. Sie erfordert, daſs wir nicht den gesammten physiologi- schen Einfluſs als Ein Quantum, sondern als ein Man- cherley und Vielerley, das unter sich selbst Gegensätze bildet, in Betracht ziehn. Und was hätten wir zu der erstern Hypothese für Grund? Der Organismus ist ein Vieles, das gar Viele, und unter sich streitende, Ein- flüsse auf die Seele haben mag. Gerade die Unbestimmt- heit des Begriffs: Mehrere, ohne anzugeben Wie viele, schickt sich hieher, wo man über die Menge der Causalverhältnisse zwischen Leib und Seele nichts be- stimmen kann noch will. — Die Erfahrung aber zeigt uns, erstlich, daſs eine unabänderliche Quantität, wie viel das Vorstellen verlieren müsse (wie das obige D) nicht statt findet. Denn der Schlaf kann zurückgehalten, er kann gestört werden durch alles, was die Lebhaftig- keit des Vorstellens erhöht. Sichtbar ist demnach die Fähigkeit des Organismus, sich auch seinerseits um Etwas nach den psychologischen Zuständen zu richten. Zwey- tens, sie zeigt uns den vollkommnen Schlaf, oder etwas demselben äuſserst nahe kommendes, (wenn man ja sich hüten will, zuviel zu behaupten; obgleich die Gründe, um derentwillen Manche ein fortdauerndes Vorstellen auch im tiefsten Schlafe annehmen, nur aus falscher Metaphy- sik entspringen.) Also die Erfahrung vereint Nachgie- bigkeit des Organismus mit völliger Hemmung aller Vor- stellungen; welches uns eben auf unsre zuletzt vestgehal- tene Voraussetzung geleitet hat.
Uebrigens wird man längstens genug gewarnt seyn, um nicht den Ausdruck: Einfluſs des Organismus auf die Seele, gar zu buchstäblich zu nehmen. Zu den Vorstellungen, als inneren Zuständen der Seele, ge- hören irgend welche innern Zustände des Gehirns; so-
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überflüssig, da dieselbe sich bloſs in den Buchstaben von
der oben geführten unterscheiden würde.
Unsre jetzige Voraussetzung nun scheint allen Um-
ständen, und der Erfahrung ebenfalls zu entsprechen.
Sie erfordert, daſs wir nicht den gesammten physiologi-
schen Einfluſs als Ein Quantum, sondern als ein Man-
cherley und Vielerley, das unter sich selbst Gegensätze
bildet, in Betracht ziehn. Und was hätten wir zu der
erstern Hypothese für Grund? Der Organismus ist ein
Vieles, das gar Viele, und unter sich streitende, Ein-
flüsse auf die Seele haben mag. Gerade die Unbestimmt-
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viele, schickt sich hieher, wo man über die Menge der
Causalverhältnisse zwischen Leib und Seele nichts be-
stimmen kann noch will. — Die Erfahrung aber zeigt
uns, erstlich, daſs eine unabänderliche Quantität, wie
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nicht statt findet. Denn der Schlaf kann zurückgehalten,
er kann gestört werden durch alles, was die Lebhaftig-
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Fähigkeit des Organismus, sich auch seinerseits um Etwas
nach den psychologischen Zuständen zu richten. Zwey-
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demselben äuſserst nahe kommendes, (wenn man ja sich
hüten will, zuviel zu behaupten; obgleich die Gründe, um
derentwillen Manche ein fortdauerndes Vorstellen auch
im tiefsten Schlafe annehmen, nur aus falscher Metaphy-
sik entspringen.) Also die Erfahrung vereint Nachgie-
bigkeit des Organismus mit völliger Hemmung aller Vor-
stellungen; welches uns eben auf unsre zuletzt vestgehal-
tene Voraussetzung geleitet hat.
Uebrigens wird man längstens genug gewarnt seyn,
um nicht den Ausdruck: Einfluſs des Organismus
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Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 2. Königsberg, 1825, S. 492. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie02_1825/527>, abgerufen am 22.11.2024.
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