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Herbart, Johann Friedrich: Lehrbuch zur Psychologie. 2. Aufl. Königsberg, 1834.

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nicht ganz) einig geworden, die drey Begriffe Vorstellen,
Fühlen, Begehren
, als die höchsten Gattungen anzu-
sehen, aber die Absonderung der Affecten von den Leiden-
schaften ist späteren Ursprungs, und noch jetzt nicht ganz in
den Sprachgebrauch eingedrungen; fragt man vollends nach
den Arten des Gedächtnisses, als Orts-Gedächtniß, Namen-
Gedachtniß, Sach-Gedächtniß, u. s. w., so übernimmt Nie-
mand diese Eintheilung vollständig anzugeben; und noch we-
niger sind die poetische, die mathematische, die militärische
Einbildungskraft gehörig von einander gesondert, so offen-
bare Verschiedenheiten auch in dieser Hinsicht unter den Men-
schengesunden werden. Dieser Unbestimmtheit der niederen
Begriffe nun sieht man es gleich an, daß die ursprünglich
unbestimmte Auffassung der psychologischen Thatsachen keine
ächte Naturgeschichte des Geistes gestattet. Gleich-
wohl werden wir, schon des eingeführten Sprachgebrauchs
wegen, uns in der logischen Uebersicht der empirischen Psy-
chologie der gewohnten Namen manchmal bedienen.

4. Die empirische Physik, unbekannt mit den eigent-
lichen Naturkräften, hat gewisse Regeln gewonnen, nach
welchen die Erscheinungen sich richten. Durch Zurückfüh-
rung
auf dieselben bringt sie Zusammenhang in das Man-
nigfaltigeder Erscheinungen. Experimente mit künstlichen
Werkzeugen, und Rechnung: dies sind die großen Hülfs-
mittel ihrer Entdeckungen.

Die Psychologie darf mit den Menschen nicht experi-
mentiren; und künstliche Werkzeuge giebt es für sie nicht.
Desto sorgfältiger wird die Hülfe der Rechnung zu benutzen
seyn. Jst erst hiedurch für die Grundbegriffe die wissen-
schaftliche Bestimmtheit gewonnen: dann beginnt das Ge-
schäftdes Zurückführens. Gesetzt z. B. man habe den Be-
griff von der Spannung entgegengesetzter Vorstellungen,
dann führt man auf die verschiedenen hiebey möglichen Um-

nicht ganz) einig geworden, die drey Begriffe Vorstellen,
Fühlen, Begehren
, als die höchsten Gattungen anzu-
sehen, aber die Absonderung der Affecten von den Leiden-
schaften ist späteren Ursprungs, und noch jetzt nicht ganz in
den Sprachgebrauch eingedrungen; fragt man vollends nach
den Arten des Gedächtnisses, als Orts-Gedächtniß, Namen-
Gedachtniß, Sach-Gedächtniß, u. s. w., so übernimmt Nie-
mand diese Eintheilung vollständig anzugeben; und noch we-
niger sind die poetische, die mathematische, die militärische
Einbildungskraft gehörig von einander gesondert, so offen-
bare Verschiedenheiten auch in dieser Hinsicht unter den Men-
schengesunden werden. Dieser Unbestimmtheit der niederen
Begriffe nun sieht man es gleich an, daß die ursprünglich
unbestimmte Auffassung der psychologischen Thatsachen keine
ächte Naturgeschichte des Geistes gestattet. Gleich-
wohl werden wir, schon des eingeführten Sprachgebrauchs
wegen, uns in der logischen Uebersicht der empirischen Psy-
chologie der gewohnten Namen manchmal bedienen.

4. Die empirische Physik, unbekannt mit den eigent-
lichen Naturkräften, hat gewisse Regeln gewonnen, nach
welchen die Erscheinungen sich richten. Durch Zurückfüh-
rung
auf dieselben bringt sie Zusammenhang in das Man-
nigfaltigeder Erscheinungen. Experimente mit künstlichen
Werkzeugen, und Rechnung: dies sind die großen Hülfs-
mittel ihrer Entdeckungen.

Die Psychologie darf mit den Menschen nicht experi-
mentiren; und künstliche Werkzeuge giebt es für sie nicht.
Desto sorgfältiger wird die Hülfe der Rechnung zu benutzen
seyn. Jst erst hiedurch für die Grundbegriffe die wissen-
schaftliche Bestimmtheit gewonnen: dann beginnt das Ge-
schäftdes Zurückführens. Gesetzt z. B. man habe den Be-
griff von der Spannung entgegengesetzter Vorstellungen,
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[4/0012] nicht ganz) einig geworden, die drey Begriffe Vorstellen, Fühlen, Begehren, als die höchsten Gattungen anzu- sehen, aber die Absonderung der Affecten von den Leiden- schaften ist späteren Ursprungs, und noch jetzt nicht ganz in den Sprachgebrauch eingedrungen; fragt man vollends nach den Arten des Gedächtnisses, als Orts-Gedächtniß, Namen- Gedachtniß, Sach-Gedächtniß, u. s. w., so übernimmt Nie- mand diese Eintheilung vollständig anzugeben; und noch we- niger sind die poetische, die mathematische, die militärische Einbildungskraft gehörig von einander gesondert, so offen- bare Verschiedenheiten auch in dieser Hinsicht unter den Men- schengesunden werden. Dieser Unbestimmtheit der niederen Begriffe nun sieht man es gleich an, daß die ursprünglich unbestimmte Auffassung der psychologischen Thatsachen keine ächte Naturgeschichte des Geistes gestattet. Gleich- wohl werden wir, schon des eingeführten Sprachgebrauchs wegen, uns in der logischen Uebersicht der empirischen Psy- chologie der gewohnten Namen manchmal bedienen. 4. Die empirische Physik, unbekannt mit den eigent- lichen Naturkräften, hat gewisse Regeln gewonnen, nach welchen die Erscheinungen sich richten. Durch Zurückfüh- rung auf dieselben bringt sie Zusammenhang in das Man- nigfaltigeder Erscheinungen. Experimente mit künstlichen Werkzeugen, und Rechnung: dies sind die großen Hülfs- mittel ihrer Entdeckungen. Die Psychologie darf mit den Menschen nicht experi- mentiren; und künstliche Werkzeuge giebt es für sie nicht. Desto sorgfältiger wird die Hülfe der Rechnung zu benutzen seyn. Jst erst hiedurch für die Grundbegriffe die wissen- schaftliche Bestimmtheit gewonnen: dann beginnt das Ge- schäftdes Zurückführens. Gesetzt z. B. man habe den Be- griff von der Spannung entgegengesetzter Vorstellungen, dann führt man auf die verschiedenen hiebey möglichen Um-

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Zitationshilfe: Herbart, Johann Friedrich: Lehrbuch zur Psychologie. 2. Aufl. Königsberg, 1834, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie_1834/12>, abgerufen am 21.11.2024.