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Herbart, Johann Friedrich: Lehrbuch zur Psychologie. 2. Aufl. Königsberg, 1834.

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in der entsprechenden Reihe zu finden, dazu gehört eine
Menge von Reproductionen der verschiedenen Reihen, die
der psychische Mechanismus nicht anders, als vermöge
einer herrschenden Vorstellungsmasse ergeben wird.
Welche Arbeit dies kostet, besonders bey Begriffen höherer
Art, und wie viele, theils positive, theils negative Urtheile
dazu nöthig sind, davon zeugen selbst noch die Platonischen
Dialogen. Und wie wenig diese Arbeit pflegt vollendet zu
werden, das sieht man bey den allermeisten Menschen an
der geringen Ausbildung ihrer Begriffe.

192. Auf alle Weise zeigt sich demnach, das die Be-
stimmung und Sonderung der Begriffe, das klare und deut-
liche Denken, eine Aufgabe ist, welche, der psychische Me-
chanismus nicht dadurch löset, daß er seine Complexionen
wirklich zertrennt, sondern dadurch, daß er die Bestandtheile
derselben einzeln mit schon gebildeten Reihen von Merkma-
len zusammenzuhalten gestattet. Es werden auch die allge-
meinen Begriffe niemals wirklich bloß durch ihren Jnhalt
gedacht, sondern mit Rücksicht auf ihren Umfang, aber mit
absichtlicher Unterscheidung von demselben.

193. Der Versuch aber, die Begriffe bloß, oder doch
vorzugsweise, durch ihren Jnhalt, also durch Zusammenfas-
sung der nicht mehr aus der Erfahrung unmittel-
bar
, sondern aus den schon gebildeten Reihen der Merk-
male hervorgehobenen Puncte dieser Reihen zu den-
ken, -- bewirkt eine merkwürdige Veränderung. Er erzeugt
das Philosophiren. Dieses macht Begriffe zu Objecten
des Denkens. Die ersten Begriffe, welchen dies begegnete,
waren die Zahlen und geometrischen Figuren. Später dehnte
sich das nämliche Verfahren auf alle logischen Allgemeinbe-
griffe aus. Jn so sern steht Platon, welcher ausführte, was
die Pythagoräer und Sokrates begonnen hatten, an der Spitze
der Philosophen. Der nächste Schritt ist alsdann Sprach-

in der entsprechenden Reihe zu finden, dazu gehört eine
Menge von Reproductionen der verschiedenen Reihen, die
der psychische Mechanismus nicht anders, als vermöge
einer herrschenden Vorstellungsmasse ergeben wird.
Welche Arbeit dies kostet, besonders bey Begriffen höherer
Art, und wie viele, theils positive, theils negative Urtheile
dazu nöthig sind, davon zeugen selbst noch die Platonischen
Dialogen. Und wie wenig diese Arbeit pflegt vollendet zu
werden, das sieht man bey den allermeisten Menschen an
der geringen Ausbildung ihrer Begriffe.

192. Auf alle Weise zeigt sich demnach, das die Be-
stimmung und Sonderung der Begriffe, das klare und deut-
liche Denken, eine Aufgabe ist, welche, der psychische Me-
chanismus nicht dadurch löset, daß er seine Complexionen
wirklich zertrennt, sondern dadurch, daß er die Bestandtheile
derselben einzeln mit schon gebildeten Reihen von Merkma-
len zusammenzuhalten gestattet. Es werden auch die allge-
meinen Begriffe niemals wirklich bloß durch ihren Jnhalt
gedacht, sondern mit Rücksicht auf ihren Umfang, aber mit
absichtlicher Unterscheidung von demselben.

193. Der Versuch aber, die Begriffe bloß, oder doch
vorzugsweise, durch ihren Jnhalt, also durch Zusammenfas-
sung der nicht mehr aus der Erfahrung unmittel-
bar
, sondern aus den schon gebildeten Reihen der Merk-
male hervorgehobenen Puncte dieser Reihen zu den-
ken, — bewirkt eine merkwürdige Veränderung. Er erzeugt
das Philosophiren. Dieses macht Begriffe zu Objecten
des Denkens. Die ersten Begriffe, welchen dies begegnete,
waren die Zahlen und geometrischen Figuren. Später dehnte
sich das nämliche Verfahren auf alle logischen Allgemeinbe-
griffe aus. Jn so sern steht Platon, welcher ausführte, was
die Pythagoräer und Sokrates begonnen hatten, an der Spitze
der Philosophen. Der nächste Schritt ist alsdann Sprach-

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[151/0159] in der entsprechenden Reihe zu finden, dazu gehört eine Menge von Reproductionen der verschiedenen Reihen, die der psychische Mechanismus nicht anders, als vermöge einer herrschenden Vorstellungsmasse ergeben wird. Welche Arbeit dies kostet, besonders bey Begriffen höherer Art, und wie viele, theils positive, theils negative Urtheile dazu nöthig sind, davon zeugen selbst noch die Platonischen Dialogen. Und wie wenig diese Arbeit pflegt vollendet zu werden, das sieht man bey den allermeisten Menschen an der geringen Ausbildung ihrer Begriffe. 192. Auf alle Weise zeigt sich demnach, das die Be- stimmung und Sonderung der Begriffe, das klare und deut- liche Denken, eine Aufgabe ist, welche, der psychische Me- chanismus nicht dadurch löset, daß er seine Complexionen wirklich zertrennt, sondern dadurch, daß er die Bestandtheile derselben einzeln mit schon gebildeten Reihen von Merkma- len zusammenzuhalten gestattet. Es werden auch die allge- meinen Begriffe niemals wirklich bloß durch ihren Jnhalt gedacht, sondern mit Rücksicht auf ihren Umfang, aber mit absichtlicher Unterscheidung von demselben. 193. Der Versuch aber, die Begriffe bloß, oder doch vorzugsweise, durch ihren Jnhalt, also durch Zusammenfas- sung der nicht mehr aus der Erfahrung unmittel- bar, sondern aus den schon gebildeten Reihen der Merk- male hervorgehobenen Puncte dieser Reihen zu den- ken, — bewirkt eine merkwürdige Veränderung. Er erzeugt das Philosophiren. Dieses macht Begriffe zu Objecten des Denkens. Die ersten Begriffe, welchen dies begegnete, waren die Zahlen und geometrischen Figuren. Später dehnte sich das nämliche Verfahren auf alle logischen Allgemeinbe- griffe aus. Jn so sern steht Platon, welcher ausführte, was die Pythagoräer und Sokrates begonnen hatten, an der Spitze der Philosophen. Der nächste Schritt ist alsdann Sprach-

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Zitationshilfe: Herbart, Johann Friedrich: Lehrbuch zur Psychologie. 2. Aufl. Königsberg, 1834, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie_1834/159>, abgerufen am 09.11.2024.