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Herbart, Johann Friedrich: Lehrbuch zur Psychologie. 2. Aufl. Königsberg, 1834.

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lich Zusätze, die mit ihr, sogleich indem sie eintreffen, aufs
innigste verschmelzen. (Geschähe dieses nicht, so würde die
Einheit der Person verloren gehn, welches sich in man-
chen Arten des Wahnsinns wirklich ereignet, indem sich
aus einer gewissen Masse von Vorstellungen, die abgeson-
dert wirkt, ein neues Jch erzeugt, woraus, wenn die Mas-
sen abwechselnd, und zufolge eines Wechsels im Organis-
mus, ins Bewußtseyn treten, auch eine wechselnde Persön-
lichkeit entsteht.)

Die Zusätze nun sind verhältnißmäßig weit weniger
neue Auffassungen des eignen Leibes, wofür die Empfäng-
lichkeit (45) bald sehr gering wird, als vielmehr innere
Wahrnehmungen (40) der Vorstellungen, Begierden und
Gefühle. Daher neigt sich die Vorstellung des Jch immer
mehr zu dem Begriff eines Geistes; der sich vollends
abscheidet, indem das Jch gedacht wird als übrig und unver-
letzt bleibend bey Verstümmelungen des Leibes, während
der Veränderung der Lebensperioden, und selbst nach dem
Tode.

Bey jedem Menschen erzeugt sich das Jch vielfach in
verschiedenen Vorstellungsmassen; und wiewohl daraus bey
dem geistig Gesunden kein vielfaches Jch entsteht, so
ist doch diese Vielheit nicht unbedeutend für Charakterbil-
dung überhaupt und für Moralitat insbesondere. Der Kna-
be, der ein Anderer ist zu Hause, ein Anderer in der
Schule, ein Anderer unter seinen Spielgenossen: dieser
schwebt in Gefahr. Der Mann, der einen verschiedenen
Ton hat für Vornehme, Freunde, und Geringe, steht mo-
ralisch nicht so sicher als der einfache sich stets gleichblei-
bende. Unter verschiedenen Menschen ist übrigens die Un-
gleichheit unvermeidlich, daß der eine sich mehr im Genuß,
der andre mehr im Leiden fühlt; ein dritter mehr im Thun,
und zwar entweder im innern Thun, oder in äußerer Wirk-

lich Zusätze, die mit ihr, sogleich indem sie eintreffen, aufs
innigste verschmelzen. (Geschähe dieses nicht, so würde die
Einheit der Person verloren gehn, welches sich in man-
chen Arten des Wahnsinns wirklich ereignet, indem sich
aus einer gewissen Masse von Vorstellungen, die abgeson-
dert wirkt, ein neues Jch erzeugt, woraus, wenn die Mas-
sen abwechselnd, und zufolge eines Wechsels im Organis-
mus, ins Bewußtseyn treten, auch eine wechselnde Persön-
lichkeit entsteht.)

Die Zusätze nun sind verhältnißmäßig weit weniger
neue Auffassungen des eignen Leibes, wofür die Empfäng-
lichkeit (45) bald sehr gering wird, als vielmehr innere
Wahrnehmungen (40) der Vorstellungen, Begierden und
Gefühle. Daher neigt sich die Vorstellung des Jch immer
mehr zu dem Begriff eines Geistes; der sich vollends
abscheidet, indem das Jch gedacht wird als übrig und unver-
letzt bleibend bey Verstümmelungen des Leibes, während
der Veränderung der Lebensperioden, und selbst nach dem
Tode.

Bey jedem Menschen erzeugt sich das Jch vielfach in
verschiedenen Vorstellungsmassen; und wiewohl daraus bey
dem geistig Gesunden kein vielfaches Jch entsteht, so
ist doch diese Vielheit nicht unbedeutend für Charakterbil-
dung überhaupt und für Moralitat insbesondere. Der Kna-
be, der ein Anderer ist zu Hause, ein Anderer in der
Schule, ein Anderer unter seinen Spielgenossen: dieser
schwebt in Gefahr. Der Mann, der einen verschiedenen
Ton hat für Vornehme, Freunde, und Geringe, steht mo-
ralisch nicht so sicher als der einfache sich stets gleichblei-
bende. Unter verschiedenen Menschen ist übrigens die Un-
gleichheit unvermeidlich, daß der eine sich mehr im Genuß,
der andre mehr im Leiden fühlt; ein dritter mehr im Thun,
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[162/0170] lich Zusätze, die mit ihr, sogleich indem sie eintreffen, aufs innigste verschmelzen. (Geschähe dieses nicht, so würde die Einheit der Person verloren gehn, welches sich in man- chen Arten des Wahnsinns wirklich ereignet, indem sich aus einer gewissen Masse von Vorstellungen, die abgeson- dert wirkt, ein neues Jch erzeugt, woraus, wenn die Mas- sen abwechselnd, und zufolge eines Wechsels im Organis- mus, ins Bewußtseyn treten, auch eine wechselnde Persön- lichkeit entsteht.) Die Zusätze nun sind verhältnißmäßig weit weniger neue Auffassungen des eignen Leibes, wofür die Empfäng- lichkeit (45) bald sehr gering wird, als vielmehr innere Wahrnehmungen (40) der Vorstellungen, Begierden und Gefühle. Daher neigt sich die Vorstellung des Jch immer mehr zu dem Begriff eines Geistes; der sich vollends abscheidet, indem das Jch gedacht wird als übrig und unver- letzt bleibend bey Verstümmelungen des Leibes, während der Veränderung der Lebensperioden, und selbst nach dem Tode. Bey jedem Menschen erzeugt sich das Jch vielfach in verschiedenen Vorstellungsmassen; und wiewohl daraus bey dem geistig Gesunden kein vielfaches Jch entsteht, so ist doch diese Vielheit nicht unbedeutend für Charakterbil- dung überhaupt und für Moralitat insbesondere. Der Kna- be, der ein Anderer ist zu Hause, ein Anderer in der Schule, ein Anderer unter seinen Spielgenossen: dieser schwebt in Gefahr. Der Mann, der einen verschiedenen Ton hat für Vornehme, Freunde, und Geringe, steht mo- ralisch nicht so sicher als der einfache sich stets gleichblei- bende. Unter verschiedenen Menschen ist übrigens die Un- gleichheit unvermeidlich, daß der eine sich mehr im Genuß, der andre mehr im Leiden fühlt; ein dritter mehr im Thun, und zwar entweder im innern Thun, oder in äußerer Wirk-

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Zitationshilfe: Herbart, Johann Friedrich: Lehrbuch zur Psychologie. 2. Aufl. Königsberg, 1834, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie_1834/170>, abgerufen am 09.11.2024.