Herbart, Johann Friedrich: Lehrbuch zur Psychologie. 2. Aufl. Königsberg, 1834.ein ehrlicher Mann war; ist er es nicht, so wird er um 236. Die Bedingungen der Selbstbeherrschung, folg- Wie eine Begierde allmählig um sich greife, läßt sich ein ehrlicher Mann war; ist er es nicht, so wird er um 236. Die Bedingungen der Selbstbeherrschung, folg- Wie eine Begierde allmählig um sich greife, läßt sich <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0196" n="188"/> ein ehrlicher Mann war; ist er es nicht, so wird er um<lb/><hi rendition="#g">desto gewisser</hi> gestraft, je vester sein böser Charakter ist,<lb/> und <hi rendition="#g">je gewisser</hi> aus dieser Bosheit auch böse Handlun-<lb/> gen bey jeder Gelegenheit hervorgehn. Die Frage ist also<lb/> bloß: war der Mensch krank? und zwar dergestalt, daß<lb/> man glauben könne, er habe wie ein Träumender gehan-<lb/> delt? Konnte z. B. der jugendliche Brandstifter durch eine<lb/> krankhafte Feuerlust dergestalt hingerissen werden, daß die<lb/> Reproduction bey ihm nicht bis zu der Vorstellung der Ge-<lb/> fahr für die Bewohner durchdrang? Oder daß die allgemeine<lb/> Maxime, Niemanden in Gefahr zu bringen (die höhere Vor-<lb/> stellungsmasse) in ihrem Wirken gehemmt wurde? Und end-<lb/> lich, daß die Besinnung an die bürgerliche Ordnung, an<lb/> Recht und Gesetz, verloren ging? Jm letztern Falle war<lb/> der Verbrecher ähnlich dem unbesonnenen Kinde, und die<lb/> Straffälligkeit wird geringer.</p><lb/> <p>236. Die Bedingungen der Selbstbeherrschung, folg-<lb/> lich auch die Bestimmung ihrer endlichen Größe, — liegen<lb/> in dem <hi rendition="#g">Verhältnisse</hi> der herrschenden zu den untergeord-<lb/> neten Vorstellungsmassen. Dies ist zwar im Allgemeinen<lb/> klar, doch mögen noch folgende etwas mehr specielle Be-<lb/> merkungen, theils über die Herrschaft der Begierden und<lb/> Leidenschaften, theils über die moralische Selbstbeherrschung<lb/> hinzukommen.</p><lb/> <p>Wie eine Begierde allmählig um sich greife, läßt sich<lb/> leicht aus 223 und 224 erkennen. Der Fluß der Vor-<lb/> stellungen stockt, und schwillt an bey dem Puncte, der be-<lb/> gehrt und nicht sogleich erreicht wird. Die von ihm erweck-<lb/> ten Reproductionen sammeln sich, Anfangs ungeordnet, als<lb/> Phantasien; allein das Phantasiren geht allmählig ins Den-<lb/> ken über (211), und es bilden sich mehr und mehr Be-<lb/> griffe und Urtheile in Beziehung auf die Begierde und im<lb/> Dienste derselben. Dies drückt man unrichtig aus, wenn<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [188/0196]
ein ehrlicher Mann war; ist er es nicht, so wird er um
desto gewisser gestraft, je vester sein böser Charakter ist,
und je gewisser aus dieser Bosheit auch böse Handlun-
gen bey jeder Gelegenheit hervorgehn. Die Frage ist also
bloß: war der Mensch krank? und zwar dergestalt, daß
man glauben könne, er habe wie ein Träumender gehan-
delt? Konnte z. B. der jugendliche Brandstifter durch eine
krankhafte Feuerlust dergestalt hingerissen werden, daß die
Reproduction bey ihm nicht bis zu der Vorstellung der Ge-
fahr für die Bewohner durchdrang? Oder daß die allgemeine
Maxime, Niemanden in Gefahr zu bringen (die höhere Vor-
stellungsmasse) in ihrem Wirken gehemmt wurde? Und end-
lich, daß die Besinnung an die bürgerliche Ordnung, an
Recht und Gesetz, verloren ging? Jm letztern Falle war
der Verbrecher ähnlich dem unbesonnenen Kinde, und die
Straffälligkeit wird geringer.
236. Die Bedingungen der Selbstbeherrschung, folg-
lich auch die Bestimmung ihrer endlichen Größe, — liegen
in dem Verhältnisse der herrschenden zu den untergeord-
neten Vorstellungsmassen. Dies ist zwar im Allgemeinen
klar, doch mögen noch folgende etwas mehr specielle Be-
merkungen, theils über die Herrschaft der Begierden und
Leidenschaften, theils über die moralische Selbstbeherrschung
hinzukommen.
Wie eine Begierde allmählig um sich greife, läßt sich
leicht aus 223 und 224 erkennen. Der Fluß der Vor-
stellungen stockt, und schwillt an bey dem Puncte, der be-
gehrt und nicht sogleich erreicht wird. Die von ihm erweck-
ten Reproductionen sammeln sich, Anfangs ungeordnet, als
Phantasien; allein das Phantasiren geht allmählig ins Den-
ken über (211), und es bilden sich mehr und mehr Be-
griffe und Urtheile in Beziehung auf die Begierde und im
Dienste derselben. Dies drückt man unrichtig aus, wenn
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(2013-07-05T12:13:38Z)
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