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Herbart, Johann Friedrich: Lehrbuch zur Psychologie. 2. Aufl. Königsberg, 1834.

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Nichtsdestoweniger wird sie als solche betrach-
tet, ja sie wird für die höchste Richterin und Gebieterin
gehalten; wie sehr natürlich erfolgen muß, indem (mit ge-
wohnter Erschleichung) die Gefahr der Reue, wenn man
dem Resultate der Ueberlegung nicht gemäß handeln würde,
als eine Drohung angesehen, und nun zu der Drohung
ein Gebot, zu dem Gebote ein Gebieter hinzu gedacht
wird.

116. Die praktische Ueberlegung wird verwickelter
durch die Verbindung zwischen Mitteln und Zwecken.
Sie hat nämlich nicht bloß ein mannigfaltiges, unmittelba-
res Begehren gegen einander abzuwägen (unter mehrern
Zwecken zu wählen), sondern auch die Reihen möglicher Er-
folge zu durchlaufen, die mit den Zwecken zusammenhängen
und deren Erreichbarkeit wahrscheinlich machen. Jn letzterer
Hinsicht schreibt man die Ueberlegung dem praktischen
Verstande
zu, der das Vermögen ist, sich nach der Be-
schaffenheit des Gedachten, unabhängig von Einbildung und
Leidenschaft zu richten. Bildet diese Art von Ueberlegung
sich vollständig aus: so erzeugt sie Pläne. Das Wählen
unter Zwecken aber wird ganz eigentlich der praktischen Ver-
nunft vorbehalten.

117. Besonnenheit ist die Gemüthslage des Men-
schen in der Ueberlegung. Wird dieselbe zur Gewohnheit,
so erweitert sich die Ueberlegung fortdauernd; sie sucht end-
lich alles mögliche Begehren in Eine Erwägung zusammen-
zufassen; immer mehrere Wünsche werden beschränkt und un-
tergeordnet, es wird nach dem letzten Ziele alles mensch-
lichen Thuns und Treibens, nach dem höchsten Gute ge-
fragt. Dabey bedient sich die Ueberlegung der allgemeinen
Begriffe, es entstehen Maximen (sehr verschieden von
Plänen), und Grundsätze, und aus deren Zusammen-
stellung eine Sittenlehre.


kenntnissen.)
Nichtsdestoweniger wird sie als solche betrach-
tet, ja sie wird für die höchste Richterin und Gebieterin
gehalten; wie sehr natürlich erfolgen muß, indem (mit ge-
wohnter Erschleichung) die Gefahr der Reue, wenn man
dem Resultate der Ueberlegung nicht gemäß handeln würde,
als eine Drohung angesehen, und nun zu der Drohung
ein Gebot, zu dem Gebote ein Gebieter hinzu gedacht
wird.

116. Die praktische Ueberlegung wird verwickelter
durch die Verbindung zwischen Mitteln und Zwecken.
Sie hat nämlich nicht bloß ein mannigfaltiges, unmittelba-
res Begehren gegen einander abzuwägen (unter mehrern
Zwecken zu wählen), sondern auch die Reihen möglicher Er-
folge zu durchlaufen, die mit den Zwecken zusammenhängen
und deren Erreichbarkeit wahrscheinlich machen. Jn letzterer
Hinsicht schreibt man die Ueberlegung dem praktischen
Verstande
zu, der das Vermögen ist, sich nach der Be-
schaffenheit des Gedachten, unabhängig von Einbildung und
Leidenschaft zu richten. Bildet diese Art von Ueberlegung
sich vollständig aus: so erzeugt sie Pläne. Das Wählen
unter Zwecken aber wird ganz eigentlich der praktischen Ver-
nunft vorbehalten.

117. Besonnenheit ist die Gemüthslage des Men-
schen in der Ueberlegung. Wird dieselbe zur Gewohnheit,
so erweitert sich die Ueberlegung fortdauernd; sie sucht end-
lich alles mögliche Begehren in Eine Erwägung zusammen-
zufassen; immer mehrere Wünsche werden beschränkt und un-
tergeordnet, es wird nach dem letzten Ziele alles mensch-
lichen Thuns und Treibens, nach dem höchsten Gute ge-
fragt. Dabey bedient sich die Ueberlegung der allgemeinen
Begriffe, es entstehen Maximen (sehr verschieden von
Plänen), und Grundsätze, und aus deren Zusammen-
stellung eine Sittenlehre.


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[90/0098] kenntnissen.) Nichtsdestoweniger wird sie als solche betrach- tet, ja sie wird für die höchste Richterin und Gebieterin gehalten; wie sehr natürlich erfolgen muß, indem (mit ge- wohnter Erschleichung) die Gefahr der Reue, wenn man dem Resultate der Ueberlegung nicht gemäß handeln würde, als eine Drohung angesehen, und nun zu der Drohung ein Gebot, zu dem Gebote ein Gebieter hinzu gedacht wird. 116. Die praktische Ueberlegung wird verwickelter durch die Verbindung zwischen Mitteln und Zwecken. Sie hat nämlich nicht bloß ein mannigfaltiges, unmittelba- res Begehren gegen einander abzuwägen (unter mehrern Zwecken zu wählen), sondern auch die Reihen möglicher Er- folge zu durchlaufen, die mit den Zwecken zusammenhängen und deren Erreichbarkeit wahrscheinlich machen. Jn letzterer Hinsicht schreibt man die Ueberlegung dem praktischen Verstande zu, der das Vermögen ist, sich nach der Be- schaffenheit des Gedachten, unabhängig von Einbildung und Leidenschaft zu richten. Bildet diese Art von Ueberlegung sich vollständig aus: so erzeugt sie Pläne. Das Wählen unter Zwecken aber wird ganz eigentlich der praktischen Ver- nunft vorbehalten. 117. Besonnenheit ist die Gemüthslage des Men- schen in der Ueberlegung. Wird dieselbe zur Gewohnheit, so erweitert sich die Ueberlegung fortdauernd; sie sucht end- lich alles mögliche Begehren in Eine Erwägung zusammen- zufassen; immer mehrere Wünsche werden beschränkt und un- tergeordnet, es wird nach dem letzten Ziele alles mensch- lichen Thuns und Treibens, nach dem höchsten Gute ge- fragt. Dabey bedient sich die Ueberlegung der allgemeinen Begriffe, es entstehen Maximen (sehr verschieden von Plänen), und Grundsätze, und aus deren Zusammen- stellung eine Sittenlehre.

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Zitationshilfe: Herbart, Johann Friedrich: Lehrbuch zur Psychologie. 2. Aufl. Königsberg, 1834, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie_1834/98>, abgerufen am 22.11.2024.