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Herder, Johann Gottfried von: Abhandlung über den Ursprung der Sprache. Berlin, 1772.

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Abstammungen gegen einander gesezt, das bunt-
schäckigste Gemälde werden. Die genetische Ursa-
che liegt in der Armuth der menschlichen Seele,
und im Zusammenfluß der Empfindungen eines
rohen Menschen: Man sieht sein Bedürfniß sich
auszudrücken so deutlich: Man siehts in immer
größerm Maaß, je weiter die Jdee vom Gefühl
und Ton in der Empfindung weglag, daß man
nicht mehr an der Menschlichkeit des Ursprungs der
Sprache zweifeln darf. Denn wie wollen die
Verfechter einer andern Entstehung diese Durch-
webung der Jdeen
in den Wurzeln der Wörter
erklären? War Gott so Jdeen- und Wortarm,
daß er zu dergleichen verwirrendem Wortgebrauch
seine Zuflucht nehmen mußte? Oder war er so
sehr Liebhaber von Hyperbolen, ungereimten Me-
taphern, daß er diesen Geist bis in die Grundwur-
zeln seiner Sprache prägte?

Die so genannte göttliche Sprache, die Ebräi-
sche, ist von diesen Kühnheiten ganz geprägt, so
daß der Orient auch die Ehre hat, sie mit seinem
Namen zu bezeichnen; Allein, daß man doch ja
nicht diesen Metapherngeist Asiatisch nenne, als

wenn

Abſtammungen gegen einander geſezt, das bunt-
ſchaͤckigſte Gemaͤlde werden. Die genetiſche Urſa-
che liegt in der Armuth der menſchlichen Seele,
und im Zuſammenfluß der Empfindungen eines
rohen Menſchen: Man ſieht ſein Beduͤrfniß ſich
auszudruͤcken ſo deutlich: Man ſiehts in immer
groͤßerm Maaß, je weiter die Jdee vom Gefuͤhl
und Ton in der Empfindung weglag, daß man
nicht mehr an der Menſchlichkeit des Urſprungs der
Sprache zweifeln darf. Denn wie wollen die
Verfechter einer andern Entſtehung dieſe Durch-
webung der Jdeen
in den Wurzeln der Woͤrter
erklaͤren? War Gott ſo Jdeen- und Wortarm,
daß er zu dergleichen verwirrendem Wortgebrauch
ſeine Zuflucht nehmen mußte? Oder war er ſo
ſehr Liebhaber von Hyperbolen, ungereimten Me-
taphern, daß er dieſen Geiſt bis in die Grundwur-
zeln ſeiner Sprache praͤgte?

Die ſo genannte goͤttliche Sprache, die Ebraͤi-
ſche, iſt von dieſen Kuͤhnheiten ganz gepraͤgt, ſo
daß der Orient auch die Ehre hat, ſie mit ſeinem
Namen zu bezeichnen; Allein, daß man doch ja
nicht dieſen Metapherngeiſt Aſiatiſch nenne, als

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[111/0117] Abſtammungen gegen einander geſezt, das bunt- ſchaͤckigſte Gemaͤlde werden. Die genetiſche Urſa- che liegt in der Armuth der menſchlichen Seele, und im Zuſammenfluß der Empfindungen eines rohen Menſchen: Man ſieht ſein Beduͤrfniß ſich auszudruͤcken ſo deutlich: Man ſiehts in immer groͤßerm Maaß, je weiter die Jdee vom Gefuͤhl und Ton in der Empfindung weglag, daß man nicht mehr an der Menſchlichkeit des Urſprungs der Sprache zweifeln darf. Denn wie wollen die Verfechter einer andern Entſtehung dieſe Durch- webung der Jdeen in den Wurzeln der Woͤrter erklaͤren? War Gott ſo Jdeen- und Wortarm, daß er zu dergleichen verwirrendem Wortgebrauch ſeine Zuflucht nehmen mußte? Oder war er ſo ſehr Liebhaber von Hyperbolen, ungereimten Me- taphern, daß er dieſen Geiſt bis in die Grundwur- zeln ſeiner Sprache praͤgte? Die ſo genannte goͤttliche Sprache, die Ebraͤi- ſche, iſt von dieſen Kuͤhnheiten ganz gepraͤgt, ſo daß der Orient auch die Ehre hat, ſie mit ſeinem Namen zu bezeichnen; Allein, daß man doch ja nicht dieſen Metapherngeiſt Aſiatiſch nenne, als wenn

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Abhandlung über den Ursprung der Sprache. Berlin, 1772, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_abhandlung_1772/117>, abgerufen am 30.11.2024.