Herder, Johann Gottfried von: Abhandlung über den Ursprung der Sprache. Berlin, 1772.geschrieben -- heißt das: sie ist lang gedehnt, Und welcher Schatz ist Familiensprache für rung; M 5
geſchrieben — heißt das: ſie iſt lang gedehnt, Und welcher Schatz iſt Familienſprache fuͤr rung; M 5
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0191" n="185"/> geſchrieben — heißt das: ſie <hi rendition="#fr">iſt</hi> lang gedehnt,<lb/> achtſylbigt? Und „ſchwer, hoͤchſtbeſchwerlich?„<lb/> Fuͤr wen iſt ſie dies anders als fuͤr Fremde? Und<lb/> fuͤr die ſollen ſie ſie ausbeſſern? Fuͤr einen kom-<lb/> menden Franzoſen, der je kaum eine Sprache als<lb/> die ſeinige, ohne ſie zu verſtuͤmmeln, lernt, ſie ver-<lb/> beſſern, ſie alſo franziſiren? Haben aber deßwe-<lb/> gen die Orenoker <hi rendition="#fr">noch nichts</hi> in ihrer Sprache<lb/> gebildet? ja ſich noch gar keine Sprache <hi rendition="#fr">gebil-<lb/> det:</hi> weil ſie nicht den <hi rendition="#aq">Genius,</hi> der ihnen ſo eigen<lb/> iſt, fuͤr einen herabſchiffenden Fremdling vertau-<lb/> ſchen moͤgen? Ja geſezt, ſie bildeten auch <hi rendition="#fr">nichts<lb/> mehr</hi> in ihrer Sprache, auch nicht fuͤr ſich —<lb/> iſt man denn nie gewachſen wenn man nicht mehr<lb/> waͤchſt? und haben denn die Wilden nichts ge-<lb/> than, weil ſie nichts gern ohne Noth thun? —</p><lb/> <p>Und welcher <hi rendition="#fr">Schatz iſt Familienſprache</hi> fuͤr<lb/> ein werdendes Geſchlecht! Faſt in allen kleinen<lb/> Nationen aller Welttheile, ſo wenig gebildet ſie<lb/> auch ſeyn moͤgen, ſind Lieder von ihren Vaͤtern,<lb/> Geſaͤnge von den Thaten ihrer Vorfahren der<lb/> Schatz ihrer Sprache, und Geſchichte, und<lb/> Dichtkunſt; ihre Weißheit und ihre Aufmunte-<lb/> <fw place="bottom" type="sig">M 5</fw><fw place="bottom" type="catch">rung;</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [185/0191]
geſchrieben — heißt das: ſie iſt lang gedehnt,
achtſylbigt? Und „ſchwer, hoͤchſtbeſchwerlich?„
Fuͤr wen iſt ſie dies anders als fuͤr Fremde? Und
fuͤr die ſollen ſie ſie ausbeſſern? Fuͤr einen kom-
menden Franzoſen, der je kaum eine Sprache als
die ſeinige, ohne ſie zu verſtuͤmmeln, lernt, ſie ver-
beſſern, ſie alſo franziſiren? Haben aber deßwe-
gen die Orenoker noch nichts in ihrer Sprache
gebildet? ja ſich noch gar keine Sprache gebil-
det: weil ſie nicht den Genius, der ihnen ſo eigen
iſt, fuͤr einen herabſchiffenden Fremdling vertau-
ſchen moͤgen? Ja geſezt, ſie bildeten auch nichts
mehr in ihrer Sprache, auch nicht fuͤr ſich —
iſt man denn nie gewachſen wenn man nicht mehr
waͤchſt? und haben denn die Wilden nichts ge-
than, weil ſie nichts gern ohne Noth thun? —
Und welcher Schatz iſt Familienſprache fuͤr
ein werdendes Geſchlecht! Faſt in allen kleinen
Nationen aller Welttheile, ſo wenig gebildet ſie
auch ſeyn moͤgen, ſind Lieder von ihren Vaͤtern,
Geſaͤnge von den Thaten ihrer Vorfahren der
Schatz ihrer Sprache, und Geſchichte, und
Dichtkunſt; ihre Weißheit und ihre Aufmunte-
rung;
M 5
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |