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Herder, Johann Gottfried von: Abhandlung über den Ursprung der Sprache. Berlin, 1772.

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Selbst da die Sprache später mehr regelmäßig,
eintönig und gereihet wurde, blieb sie noch immer
eine Gattung Gesang, wie es die Accente so
vieler Wilden bezeugen; und daß aus diesem Ge-
sange, nachher veredelt und verfeinert, die älteste
Poesie und Musik entstanden, hat jezt schon mehr,
als Einer bewiesen. Der philosophische Englän-
der,
*) der sich in unserm Jahrhunderte an diesen
Ursprung der Poesie und Musik gemacht, hätte
am weitsten kommen können, wenn er nicht den
Geist der Sprache von seiner Untersuchung ausge-
schlossen und minder auf sein System ausgegan-
gen wäre, Poesie und Musik auf Einen Vereini-
gungspunkt einzuschließen, auf welchem keine sich
recht zeigen kann, als auf den Ursprung von bei-
den aus der ganzen Natur des Menschen. Ueber-
haupt da die besten Stücke der alten Poesie Reste
dieser sprachsingenden Zeiten sind; so sind die Miß-
känntnisse, die Veruntreuungen, und die schiefen
Geschmacksfehler ganz unzählig, die man aus dem
Gange der ältesten Gedichte, der griechischen
Trauerspiele, und Deklamationen herausbuchsta-

birt
*) Erown.

Selbſt da die Sprache ſpaͤter mehr regelmaͤßig,
eintoͤnig und gereihet wurde, blieb ſie noch immer
eine Gattung Geſang, wie es die Accente ſo
vieler Wilden bezeugen; und daß aus dieſem Ge-
ſange, nachher veredelt und verfeinert, die aͤlteſte
Poeſie und Muſik entſtanden, hat jezt ſchon mehr,
als Einer bewieſen. Der philoſophiſche Englaͤn-
der,
*) der ſich in unſerm Jahrhunderte an dieſen
Urſprung der Poeſie und Muſik gemacht, haͤtte
am weitſten kommen koͤnnen, wenn er nicht den
Geiſt der Sprache von ſeiner Unterſuchung ausge-
ſchloſſen und minder auf ſein Syſtem ausgegan-
gen waͤre, Poeſie und Muſik auf Einen Vereini-
gungspunkt einzuſchließen, auf welchem keine ſich
recht zeigen kann, als auf den Urſprung von bei-
den aus der ganzen Natur des Menſchen. Ueber-
haupt da die beſten Stuͤcke der alten Poeſie Reſte
dieſer ſprachſingenden Zeiten ſind; ſo ſind die Miß-
kaͤnntniſſe, die Veruntreuungen, und die ſchiefen
Geſchmacksfehler ganz unzaͤhlig, die man aus dem
Gange der aͤlteſten Gedichte, der griechiſchen
Trauerſpiele, und Deklamationen herausbuchſta-

birt
*) Erown.
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[91/0097] Selbſt da die Sprache ſpaͤter mehr regelmaͤßig, eintoͤnig und gereihet wurde, blieb ſie noch immer eine Gattung Geſang, wie es die Accente ſo vieler Wilden bezeugen; und daß aus dieſem Ge- ſange, nachher veredelt und verfeinert, die aͤlteſte Poeſie und Muſik entſtanden, hat jezt ſchon mehr, als Einer bewieſen. Der philoſophiſche Englaͤn- der, *) der ſich in unſerm Jahrhunderte an dieſen Urſprung der Poeſie und Muſik gemacht, haͤtte am weitſten kommen koͤnnen, wenn er nicht den Geiſt der Sprache von ſeiner Unterſuchung ausge- ſchloſſen und minder auf ſein Syſtem ausgegan- gen waͤre, Poeſie und Muſik auf Einen Vereini- gungspunkt einzuſchließen, auf welchem keine ſich recht zeigen kann, als auf den Urſprung von bei- den aus der ganzen Natur des Menſchen. Ueber- haupt da die beſten Stuͤcke der alten Poeſie Reſte dieſer ſprachſingenden Zeiten ſind; ſo ſind die Miß- kaͤnntniſſe, die Veruntreuungen, und die ſchiefen Geſchmacksfehler ganz unzaͤhlig, die man aus dem Gange der aͤlteſten Gedichte, der griechiſchen Trauerſpiele, und Deklamationen herausbuchſta- birt *) Erown.

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Abhandlung über den Ursprung der Sprache. Berlin, 1772, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_abhandlung_1772/97>, abgerufen am 28.11.2024.