Herder, Johann Gottfried von: Von Deutscher Art und Kunst. Hamburg, 1773.kein dramatischer Dichter? Der hundert Auf- Jn Othello, dem Mohren, welche Welt! ihm
kein dramatiſcher Dichter? Der hundert Auf- Jn Othello, dem Mohren, welche Welt! ihm
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0100" n="96"/> kein dramatiſcher Dichter? Der hundert Auf-<lb/> tritte einer Weltbegebenheit mit dem Arm<lb/> umfaßt, mit dem Blick ordnet, mit der Ei-<lb/> nen durchhauchenden, Alles belebenden Seele<lb/> erfuͤllet, und nicht Aufmerkſamkeit; Herz,<lb/> alle Leidenſchaften, die ganze Seele von An-<lb/> fang bis zu Ende fortreißt — wenn nicht<lb/> mehr, ſo ſoll Vater Ariſtoteles zeugen, „die<lb/> „Groͤſſe des lebendigen Geſchoͤpfs darf nur<lb/> „mit Einem Blick uͤberſehen werden koͤnnen„ —<lb/> und hier — Himmel! wie wird das Ganze<lb/> der Begebenheit mit tiefſter Seele fortgefuͤhlt<lb/> und geendet! — Eine Welt dramatiſcher<lb/> Geſchichte, ſo groß und tief wie die Natur;<lb/> aber der Schoͤpfer giebt uns Auge und Ge-<lb/> ſichtspunkt, ſo groß und tief zu ſehen!</p><lb/> <p>Jn <hi rendition="#fr">Othello,</hi> dem Mohren, welche Welt!<lb/> welch ein Ganzes! <hi rendition="#fr">lebendige Geſchichte</hi><lb/> der <hi rendition="#fr">Entſtehung, Fortgangs, Ausbruchs,<lb/> traurigen Endes der Leidenſchaft die-<lb/> ſes Edlen Ungluͤckſeligen!</hi> und in welcher<lb/> Fuͤlle, und Zuſammenlauf der Raͤder zu<lb/> Einem Werke! Wie dieſer Jago, der Teu-<lb/> fel in Menſchengeſtalt, die Welt anſehn, und<lb/> mit allen, die um ihn ſind, ſpielen! und wie<lb/> nun <hi rendition="#fr">die</hi> Gruppe ein Caſſio und Rodrich,<lb/> Othello und Desdemone in <hi rendition="#fr">den</hi> Charakteren,<lb/> mit dem Zunder von Empfaͤnglichkeiten ſeiner<lb/> Hoͤllenflamme, um ihn ſtehen muß, und jedes<lb/> <fw place="bottom" type="catch">ihm</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [96/0100]
kein dramatiſcher Dichter? Der hundert Auf-
tritte einer Weltbegebenheit mit dem Arm
umfaßt, mit dem Blick ordnet, mit der Ei-
nen durchhauchenden, Alles belebenden Seele
erfuͤllet, und nicht Aufmerkſamkeit; Herz,
alle Leidenſchaften, die ganze Seele von An-
fang bis zu Ende fortreißt — wenn nicht
mehr, ſo ſoll Vater Ariſtoteles zeugen, „die
„Groͤſſe des lebendigen Geſchoͤpfs darf nur
„mit Einem Blick uͤberſehen werden koͤnnen„ —
und hier — Himmel! wie wird das Ganze
der Begebenheit mit tiefſter Seele fortgefuͤhlt
und geendet! — Eine Welt dramatiſcher
Geſchichte, ſo groß und tief wie die Natur;
aber der Schoͤpfer giebt uns Auge und Ge-
ſichtspunkt, ſo groß und tief zu ſehen!
Jn Othello, dem Mohren, welche Welt!
welch ein Ganzes! lebendige Geſchichte
der Entſtehung, Fortgangs, Ausbruchs,
traurigen Endes der Leidenſchaft die-
ſes Edlen Ungluͤckſeligen! und in welcher
Fuͤlle, und Zuſammenlauf der Raͤder zu
Einem Werke! Wie dieſer Jago, der Teu-
fel in Menſchengeſtalt, die Welt anſehn, und
mit allen, die um ihn ſind, ſpielen! und wie
nun die Gruppe ein Caſſio und Rodrich,
Othello und Desdemone in den Charakteren,
mit dem Zunder von Empfaͤnglichkeiten ſeiner
Hoͤllenflamme, um ihn ſtehen muß, und jedes
ihm
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |