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Herder, Johann Gottfried von: Von Deutscher Art und Kunst. Hamburg, 1773.

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lein) und statt ein ein dunkles a, und was
man noch immer in Liedern der Art mit' aus-
drücken könnte. Das Hauptwort bekommt
auf solche Weise immer weit mehr poetische
Substantialität und Persönlichkeit

' Knabe sprach
' Rößlein sprach, u. s. w.

in den Liedern mit mehr Accent, und endlich
lassen Sie mich noch mit einer weitern Anmer-
kung hieraus schliessen. Jn schnellrollenden,
gereimten komischen Sachen, und aus dem ent-
gegen gesetztesten Grunde in den stärksten, hef-
tigsten Stellen der tragischen Leidenschaft,
dort insonderheit in leichtsinnigen Liedern, hier
am meisten in den gedrungnen Blank-Versen
haben Sie es da nicht oft bemerkt, wie schäd-
lich es uns Deutschen sey, daß wir keine Eli-
sionen haben, oder uns machen wollen? Unsre
Vorfahren haben sie häufig und zu häufig ge-
habt: die Engländer mit ihren Artikeln, mit
den Vokalen bey unbedeutenden Wörtern, Par-
tikeln u. s. w. haben sie zur Regel gemacht:
die innre Beschaffenheit beyder Sprachen ist in
diesem Stücke ganz Einerley: uns quälen diese
schleppende Artikel, Partikeln u. s. w. oft so
sehr, und hindern den Gang des Sinns oder
der Leidenschaft -- aber wer unter uns wird
zu elidiren wagen? Unsre Kunstrichter zählen
ja Sylben, und können so gut skandiren! Sie

also,

lein) und ſtatt ein ein dunkles a, und was
man noch immer in Liedern der Art mit’ aus-
druͤcken koͤnnte. Das Hauptwort bekommt
auf ſolche Weiſe immer weit mehr poetiſche
Subſtantialitaͤt und Perſoͤnlichkeit

’ Knabe ſprach
’ Roͤßlein ſprach, u. ſ. w.

in den Liedern mit mehr Accent, und endlich
laſſen Sie mich noch mit einer weitern Anmer-
kung hieraus ſchlieſſen. Jn ſchnellrollenden,
gereimten komiſchen Sachen, und aus dem ent-
gegen geſetzteſten Grunde in den ſtaͤrkſten, hef-
tigſten Stellen der tragiſchen Leidenſchaft,
dort inſonderheit in leichtſinnigen Liedern, hier
am meiſten in den gedrungnen Blank-Verſen
haben Sie es da nicht oft bemerkt, wie ſchaͤd-
lich es uns Deutſchen ſey, daß wir keine Eli-
ſionen haben, oder uns machen wollen? Unſre
Vorfahren haben ſie haͤufig und zu haͤufig ge-
habt: die Englaͤnder mit ihren Artikeln, mit
den Vokalen bey unbedeutenden Woͤrtern, Par-
tikeln u. ſ. w. haben ſie zur Regel gemacht:
die innre Beſchaffenheit beyder Sprachen iſt in
dieſem Stuͤcke ganz Einerley: uns quaͤlen dieſe
ſchleppende Artikel, Partikeln u. ſ. w. oft ſo
ſehr, und hindern den Gang des Sinns oder
der Leidenſchaft — aber wer unter uns wird
zu elidiren wagen? Unſre Kunſtrichter zaͤhlen
ja Sylben, und koͤnnen ſo gut ſkandiren! Sie

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[58/0062] lein) und ſtatt ein ein dunkles a, und was man noch immer in Liedern der Art mit’ aus- druͤcken koͤnnte. Das Hauptwort bekommt auf ſolche Weiſe immer weit mehr poetiſche Subſtantialitaͤt und Perſoͤnlichkeit ’ Knabe ſprach ’ Roͤßlein ſprach, u. ſ. w. in den Liedern mit mehr Accent, und endlich laſſen Sie mich noch mit einer weitern Anmer- kung hieraus ſchlieſſen. Jn ſchnellrollenden, gereimten komiſchen Sachen, und aus dem ent- gegen geſetzteſten Grunde in den ſtaͤrkſten, hef- tigſten Stellen der tragiſchen Leidenſchaft, dort inſonderheit in leichtſinnigen Liedern, hier am meiſten in den gedrungnen Blank-Verſen haben Sie es da nicht oft bemerkt, wie ſchaͤd- lich es uns Deutſchen ſey, daß wir keine Eli- ſionen haben, oder uns machen wollen? Unſre Vorfahren haben ſie haͤufig und zu haͤufig ge- habt: die Englaͤnder mit ihren Artikeln, mit den Vokalen bey unbedeutenden Woͤrtern, Par- tikeln u. ſ. w. haben ſie zur Regel gemacht: die innre Beſchaffenheit beyder Sprachen iſt in dieſem Stuͤcke ganz Einerley: uns quaͤlen dieſe ſchleppende Artikel, Partikeln u. ſ. w. oft ſo ſehr, und hindern den Gang des Sinns oder der Leidenſchaft — aber wer unter uns wird zu elidiren wagen? Unſre Kunſtrichter zaͤhlen ja Sylben, und koͤnnen ſo gut ſkandiren! Sie alſo,

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Von Deutscher Art und Kunst. Hamburg, 1773, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_artundkunst_1773/62>, abgerufen am 24.11.2024.