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Herder, Johann Gottfried von: Kapitel 5; Kapitel 6. In: Über die neuere Deutsche Litteratur. […] Dritte Sammlung. Riga, 1767, S. 50–75.

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mich dünkt, noch nicht vollständig. - Wohl! es fällt mir ein Platonisches Mährchen ein, wie der schöne Körper ein Geschöpf, ein Bote, ein Spiegel, ein Werkzeug einer schönen Seele sey, wie in ihm die Gegenwart der Götter wohne, und die himmlische Schönheit einen Abdruck in ihn gesenkt, der uns an die obere Vollkommenheit erinnert: ich sezze diese schöne Sokratische Bilder zusammen, und zeige meinen Lesern ein Bild, daß Gedanke und Wort, Empfindung und Ausdruck sich zu einander verhalten, wie Platons Seele zum Körper.

Wenn einer von meinen Lesern, der bei den Werken der Alten, in das Jahrhundert der goldnen Zeit und einfachen Natur entzückt gewesen ist, sich bei meiner Erzählung dessen erinnert, was er hier in diesem Elysium für Gedanken gesehen, für Ausdrücke gehört, und wie beide in einander geflossen sind: wie würde ich mich freuen, wenn einer von diesen mir Recht gäbe, und damit mich schadlos hielte, daß zehn schöne Geister, die sich in das schöne Kleid, und den Putz des Costume, in die schönen Fingerspitzen der Chineserschönheiten, in

mich dünkt, noch nicht vollständig. – Wohl! es fällt mir ein Platonisches Mährchen ein, wie der schöne Körper ein Geschöpf, ein Bote, ein Spiegel, ein Werkzeug einer schönen Seele sey, wie in ihm die Gegenwart der Götter wohne, und die himmlische Schönheit einen Abdruck in ihn gesenkt, der uns an die obere Vollkommenheit erinnert: ich sezze diese schöne Sokratische Bilder zusammen, und zeige meinen Lesern ein Bild, daß Gedanke und Wort, Empfindung und Ausdruck sich zu einander verhalten, wie Platons Seele zum Körper.

Wenn einer von meinen Lesern, der bei den Werken der Alten, in das Jahrhundert der goldnen Zeit und einfachen Natur entzückt gewesen ist, sich bei meiner Erzählung dessen erinnert, was er hier in diesem Elysium für Gedanken gesehen, für Ausdrücke gehört, und wie beide in einander geflossen sind: wie würde ich mich freuen, wenn einer von diesen mir Recht gäbe, und damit mich schadlos hielte, daß zehn schöne Geister, die sich in das schöne Kleid, und den Putz des Costume, in die schönen Fingerspitzen der Chineserschönheiten, in

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[70/0022] mich dünkt, noch nicht vollständig. – Wohl! es fällt mir ein Platonisches Mährchen ein, wie der schöne Körper ein Geschöpf, ein Bote, ein Spiegel, ein Werkzeug einer schönen Seele sey, wie in ihm die Gegenwart der Götter wohne, und die himmlische Schönheit einen Abdruck in ihn gesenkt, der uns an die obere Vollkommenheit erinnert: ich sezze diese schöne Sokratische Bilder zusammen, und zeige meinen Lesern ein Bild, daß Gedanke und Wort, Empfindung und Ausdruck sich zu einander verhalten, wie Platons Seele zum Körper. Wenn einer von meinen Lesern, der bei den Werken der Alten, in das Jahrhundert der goldnen Zeit und einfachen Natur entzückt gewesen ist, sich bei meiner Erzählung dessen erinnert, was er hier in diesem Elysium für Gedanken gesehen, für Ausdrücke gehört, und wie beide in einander geflossen sind: wie würde ich mich freuen, wenn einer von diesen mir Recht gäbe, und damit mich schadlos hielte, daß zehn schöne Geister, die sich in das schöne Kleid, und den Putz des Costume, in die schönen Fingerspitzen der Chineserschönheiten, in

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Kapitel 5; Kapitel 6. In: Über die neuere Deutsche Litteratur. […] Dritte Sammlung. Riga, 1767, S. 50–75, hier S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_gedanke_1767/22>, abgerufen am 19.04.2024.