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Herder, Johann Gottfried von: Kapitel 5; Kapitel 6. In: Über die neuere Deutsche Litteratur. […] Dritte Sammlung. Riga, 1767, S. 50–75.

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das blendende Teint französischer Wendungen, oder in das oft überladene Kolorit brittischer Bilder verliebt haben, mich für einen Träumer und Enthusiasten schelten werden.

Aus dem seligen Reich der Götter ward die Empfindung, wie die Seele des Plato, heruntergesandt in den Schoos der irrdischen einfältigen Natur. In dem Schoos dieser gesunden, und starken und fruchtbaren Mutter sollte die Bewohnerinn des Himmels einen schönen und blühenden Körper sich zum Wohnhause bereiten: daher nahm sie das zarteste und feinste Geblüt ihrer Mutter zur sanften Hülle, und ward die Schöpferinn des Gebäudes rings um sich. Kein Sturm widriger Wallungen und kein Blizstral von ungesunden Zuckungen hinderte ihr Gewebe, in welches sie, ohne Gefühl gewaltsamer Störungen ihr Bild voll ruhiger Stille eintrug: als das Bild, einer Freundinn der Götter und Gespielinn der Göttinnen. Sie vollendete ihre Schöpfung: sie brachte die Frucht zur Reife: sie vollführte den Pallast ihrer Wohnung: ihr gelang das Bild ihrer selbst, das von ihr zeugen sollte. (Kurz! der himmli-

das blendende Teint französischer Wendungen, oder in das oft überladene Kolorit brittischer Bilder verliebt haben, mich für einen Träumer und Enthusiasten schelten werden.

Aus dem seligen Reich der Götter ward die Empfindung, wie die Seele des Plato, heruntergesandt in den Schoos der irrdischen einfältigen Natur. In dem Schoos dieser gesunden, und starken und fruchtbaren Mutter sollte die Bewohnerinn des Himmels einen schönen und blühenden Körper sich zum Wohnhause bereiten: daher nahm sie das zarteste und feinste Geblüt ihrer Mutter zur sanften Hülle, und ward die Schöpferinn des Gebäudes rings um sich. Kein Sturm widriger Wallungen und kein Blizstral von ungesunden Zuckungen hinderte ihr Gewebe, in welches sie, ohne Gefühl gewaltsamer Störungen ihr Bild voll ruhiger Stille eintrug: als das Bild, einer Freundinn der Götter und Gespielinn der Göttinnen. Sie vollendete ihre Schöpfung: sie brachte die Frucht zur Reife: sie vollführte den Pallast ihrer Wohnung: ihr gelang das Bild ihrer selbst, das von ihr zeugen sollte. (Kurz! der himmli-

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[71/0023] das blendende Teint französischer Wendungen, oder in das oft überladene Kolorit brittischer Bilder verliebt haben, mich für einen Träumer und Enthusiasten schelten werden. Aus dem seligen Reich der Götter ward die Empfindung, wie die Seele des Plato, heruntergesandt in den Schoos der irrdischen einfältigen Natur. In dem Schoos dieser gesunden, und starken und fruchtbaren Mutter sollte die Bewohnerinn des Himmels einen schönen und blühenden Körper sich zum Wohnhause bereiten: daher nahm sie das zarteste und feinste Geblüt ihrer Mutter zur sanften Hülle, und ward die Schöpferinn des Gebäudes rings um sich. Kein Sturm widriger Wallungen und kein Blizstral von ungesunden Zuckungen hinderte ihr Gewebe, in welches sie, ohne Gefühl gewaltsamer Störungen ihr Bild voll ruhiger Stille eintrug: als das Bild, einer Freundinn der Götter und Gespielinn der Göttinnen. Sie vollendete ihre Schöpfung: sie brachte die Frucht zur Reife: sie vollführte den Pallast ihrer Wohnung: ihr gelang das Bild ihrer selbst, das von ihr zeugen sollte. (Kurz! der himmli-

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Kapitel 5; Kapitel 6. In: Über die neuere Deutsche Litteratur. […] Dritte Sammlung. Riga, 1767, S. 50–75, hier S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_gedanke_1767/23>, abgerufen am 19.04.2024.