drängt ist; es muß sich seiner Haut wehren und für sein Le- ben sorgen.
Warum that die Natur dies? warum drängte sie so die Geschöpfe auf einander? Weil sie im kleinsten Raum die größeste und vielfachste Anzahl der Lebenden schaffen woll- te, wo also auch Eins das andre überwältigt und nur durch das Gleichgewicht der Kräfte Friede wird in der Schöpfung. Jede Gattung sorgt für sich, als ob sie die Einige wäre; ihr zur Seite steht aber eine andre da, die sie einschränkt und nur in diesem Verhältniß entgegengesetzter Arten fand die Schöpferin das Mittel zur Erhaltung des Ganzen. Sie wog die Kräfte, sie zählte die Glieder, sie bestimmte die Trie- be der Gattungen gegen einander; und ließ übrigens die Er- de tragen, was sie zu tragen vermochte.
Es kümmert mich also nicht: ob große Thiergattungen untergegangen sind? Ging der Mammuth unter: so gingen auch Riesen unter; es war ein anderes Verhältniß zwischen den Geschlechtern. Wie es jetzt ist, sehen wir das offenbare Gleichgewicht, nicht nur im Ganzen der Erde, sondern auch selbst in einzelnen Welttheilen und Ländern. Die Cultur kann Thiere verdrängen: sie kann sie aber schwerlich ausrot- ten, wenigstens hat sie dies Werk noch in keinem großen
Erd-
draͤngt iſt; es muß ſich ſeiner Haut wehren und fuͤr ſein Le- ben ſorgen.
Warum that die Natur dies? warum draͤngte ſie ſo die Geſchoͤpfe auf einander? Weil ſie im kleinſten Raum die groͤßeſte und vielfachſte Anzahl der Lebenden ſchaffen woll- te, wo alſo auch Eins das andre uͤberwaͤltigt und nur durch das Gleichgewicht der Kraͤfte Friede wird in der Schoͤpfung. Jede Gattung ſorgt fuͤr ſich, als ob ſie die Einige waͤre; ihr zur Seite ſteht aber eine andre da, die ſie einſchraͤnkt und nur in dieſem Verhaͤltniß entgegengeſetzter Arten fand die Schoͤpferin das Mittel zur Erhaltung des Ganzen. Sie wog die Kraͤfte, ſie zaͤhlte die Glieder, ſie beſtimmte die Trie- be der Gattungen gegen einander; und ließ uͤbrigens die Er- de tragen, was ſie zu tragen vermochte.
Es kuͤmmert mich alſo nicht: ob große Thiergattungen untergegangen ſind? Ging der Mammuth unter: ſo gingen auch Rieſen unter; es war ein anderes Verhaͤltniß zwiſchen den Geſchlechtern. Wie es jetzt iſt, ſehen wir das offenbare Gleichgewicht, nicht nur im Ganzen der Erde, ſondern auch ſelbſt in einzelnen Welttheilen und Laͤndern. Die Cultur kann Thiere verdraͤngen: ſie kann ſie aber ſchwerlich ausrot- ten, wenigſtens hat ſie dies Werk noch in keinem großen
Erd-
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draͤngt iſt; es muß ſich ſeiner Haut wehren und fuͤr ſein Le-
ben ſorgen.
Warum that die Natur dies? warum draͤngte ſie ſo
die Geſchoͤpfe auf einander? Weil ſie im kleinſten Raum
die groͤßeſte und vielfachſte Anzahl der Lebenden ſchaffen woll-
te, wo alſo auch Eins das andre uͤberwaͤltigt und nur durch
das Gleichgewicht der Kraͤfte Friede wird in der Schoͤpfung.
Jede Gattung ſorgt fuͤr ſich, als ob ſie die Einige waͤre; ihr
zur Seite ſteht aber eine andre da, die ſie einſchraͤnkt und
nur in dieſem Verhaͤltniß entgegengeſetzter Arten fand die
Schoͤpferin das Mittel zur Erhaltung des Ganzen. Sie
wog die Kraͤfte, ſie zaͤhlte die Glieder, ſie beſtimmte die Trie-
be der Gattungen gegen einander; und ließ uͤbrigens die Er-
de tragen, was ſie zu tragen vermochte.
Es kuͤmmert mich alſo nicht: ob große Thiergattungen
untergegangen ſind? Ging der Mammuth unter: ſo gingen
auch Rieſen unter; es war ein anderes Verhaͤltniß zwiſchen
den Geſchlechtern. Wie es jetzt iſt, ſehen wir das offenbare
Gleichgewicht, nicht nur im Ganzen der Erde, ſondern auch
ſelbſt in einzelnen Welttheilen und Laͤndern. Die Cultur
kann Thiere verdraͤngen: ſie kann ſie aber ſchwerlich ausrot-
ten, wenigſtens hat ſie dies Werk noch in keinem großen
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Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 1. Riga u. a., 1784, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte01_1784/102>, abgerufen am 02.05.2024.
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