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Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 1. Riga u. a., 1784.

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lich das Gebiet des vegetirenden Organismus auf oder viel-
mehr es wird in einer künstlichern Form vestgehalten und auf
die Zwecke der zusammengesetzteren Organisation im Ganzen
verwendet.

3. Je mehr die Muskelkräfte in das Gebiet der Ner-
ven treten, desto mehr werden auch sie in dieser Organisation
gefangen und zu Zwecken der Empfindung überwältigt.
Je mehr und feinere Nerven ein Thier hat, je mehr diese
einander vielfach begegnen, künstlich verstärken und zu edlen
Theilen und Sinnen verwandt werden, je größer und feiner
endlich der Sammelplatz aller Empfindungen, das Gehirn
ist: desto verständiger und feiner wird die Gattung dieser
Organisationen. Wo gegentheils bei Thieren der Reiz die
Empfindung, die Muskelkräfte das Nervengebäude überwin-
den, wo dies auf niedrige Verrichtungen und Triebe ver-
braucht wird und insonderheit der erste und beschwerlichste
aller Triebe, der Hunger, noch der herrschendste seyn mußte:
da wird, nach unserm Maasstabe, die Gattung theils un-
förmlicher im Bau, theils in ihrer Lebensweise gröber. --

Wer würde sich nicht freuen, wenn ein philosophischer
Zergliederer *) es übernähme eine vergleichende Physiologie

meh-
*) Ausser andern bekannten Werken finde ich in des ältern Alexan-
der Monro Works
Edinb. 1781. einen Essai on compa-
rative
O 3

lich das Gebiet des vegetirenden Organismus auf oder viel-
mehr es wird in einer kuͤnſtlichern Form veſtgehalten und auf
die Zwecke der zuſammengeſetzteren Organiſation im Ganzen
verwendet.

3. Je mehr die Muskelkraͤfte in das Gebiet der Ner-
ven treten, deſto mehr werden auch ſie in dieſer Organiſation
gefangen und zu Zwecken der Empfindung uͤberwaͤltigt.
Je mehr und feinere Nerven ein Thier hat, je mehr dieſe
einander vielfach begegnen, kuͤnſtlich verſtaͤrken und zu edlen
Theilen und Sinnen verwandt werden, je groͤßer und feiner
endlich der Sammelplatz aller Empfindungen, das Gehirn
iſt: deſto verſtaͤndiger und feiner wird die Gattung dieſer
Organiſationen. Wo gegentheils bei Thieren der Reiz die
Empfindung, die Muskelkraͤfte das Nervengebaͤude uͤberwin-
den, wo dies auf niedrige Verrichtungen und Triebe ver-
braucht wird und inſonderheit der erſte und beſchwerlichſte
aller Triebe, der Hunger, noch der herrſchendſte ſeyn mußte:
da wird, nach unſerm Maasſtabe, die Gattung theils un-
foͤrmlicher im Bau, theils in ihrer Lebensweiſe groͤber. —

Wer wuͤrde ſich nicht freuen, wenn ein philoſophiſcher
Zergliederer *) es uͤbernaͤhme eine vergleichende Phyſiologie

meh-
*) Auſſer andern bekannten Werken finde ich in des aͤltern Alexan-
der Monro Works
Edinb. 1781. einen Eſſai on compa-
rative
O 3
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[125/0147] lich das Gebiet des vegetirenden Organismus auf oder viel- mehr es wird in einer kuͤnſtlichern Form veſtgehalten und auf die Zwecke der zuſammengeſetzteren Organiſation im Ganzen verwendet. 3. Je mehr die Muskelkraͤfte in das Gebiet der Ner- ven treten, deſto mehr werden auch ſie in dieſer Organiſation gefangen und zu Zwecken der Empfindung uͤberwaͤltigt. Je mehr und feinere Nerven ein Thier hat, je mehr dieſe einander vielfach begegnen, kuͤnſtlich verſtaͤrken und zu edlen Theilen und Sinnen verwandt werden, je groͤßer und feiner endlich der Sammelplatz aller Empfindungen, das Gehirn iſt: deſto verſtaͤndiger und feiner wird die Gattung dieſer Organiſationen. Wo gegentheils bei Thieren der Reiz die Empfindung, die Muskelkraͤfte das Nervengebaͤude uͤberwin- den, wo dies auf niedrige Verrichtungen und Triebe ver- braucht wird und inſonderheit der erſte und beſchwerlichſte aller Triebe, der Hunger, noch der herrſchendſte ſeyn mußte: da wird, nach unſerm Maasſtabe, die Gattung theils un- foͤrmlicher im Bau, theils in ihrer Lebensweiſe groͤber. — Wer wuͤrde ſich nicht freuen, wenn ein philoſophiſcher Zergliederer *) es uͤbernaͤhme eine vergleichende Phyſiologie meh- *) Auſſer andern bekannten Werken finde ich in des aͤltern Alexan- der Monro Works Edinb. 1781. einen Eſſai on compa- rative O 3

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 1. Riga u. a., 1784, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte01_1784/147>, abgerufen am 02.05.2024.