Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 1. Riga u. a., 1784.

Bild:
<< vorherige Seite
III.
Beispiele vom phisiologischen Bau einiger
Thiere.

Der Elephant *), so unförmlich er scheinet, giebt physio-
logische Gründe genug von seinem, dem Menschen so ähnli-
chen Vorzuge vor allen lebenden Thieren. Zwar ist sein
Gehirn, der Größe des Thiers nach, nicht übermäßig; die
Hölen desselben aber und sein ganzer Bau ist dem menschli-
chen sehr ähnlich. "Jch war erstaunt, sagt Camper, eine sol-
che Aehnlichkeit zwischen der glandula pinealis, den nates und
testes dieses Thiers mit denen in unserm Gehirn zu finden;
wenn irgendwo ein sensorium commune statt haben kann, so
muß es hier gesucht werden." Die Hirnschale ist im Ver-
hältniß des Kopfs klein, weil die Nasenhöle weit oberhalb
dem Gehirn läuft und nicht nur die Stirn- sondern auch an-
dre Hölen **) mit Luft anfüllet: denn um die schweren
Kinnladen zu bewegen wurden starke Muskeln und große
Oberflächen erfodert, die die bildende Mutter also, um dem
Geschöpf eine untragbare Schwere zu ersparen, mit Luft an-

füllte.
*) Nach Buffon, Daubenton, Camper und zum Theil Zim-
mermanns
Beschreibung eines ungebohrnen Elephanten.
**) Die Trummeln und Hölen der processus mammillares u. f.
III.
Beiſpiele vom phiſiologiſchen Bau einiger
Thiere.

Der Elephant *), ſo unfoͤrmlich er ſcheinet, giebt phyſio-
logiſche Gruͤnde genug von ſeinem, dem Menſchen ſo aͤhnli-
chen Vorzuge vor allen lebenden Thieren. Zwar iſt ſein
Gehirn, der Groͤße des Thiers nach, nicht uͤbermaͤßig; die
Hoͤlen deſſelben aber und ſein ganzer Bau iſt dem menſchli-
chen ſehr aͤhnlich. „Jch war erſtaunt, ſagt Camper, eine ſol-
che Aehnlichkeit zwiſchen der glandula pinealiſ, den nateſ und
teſteſ dieſes Thiers mit denen in unſerm Gehirn zu finden;
wenn irgendwo ein ſenſorium commune ſtatt haben kann, ſo
muß es hier geſucht werden.“ Die Hirnſchale iſt im Ver-
haͤltniß des Kopfs klein, weil die Naſenhoͤle weit oberhalb
dem Gehirn laͤuft und nicht nur die Stirn- ſondern auch an-
dre Hoͤlen **) mit Luft anfuͤllet: denn um die ſchweren
Kinnladen zu bewegen wurden ſtarke Muskeln und große
Oberflaͤchen erfodert, die die bildende Mutter alſo, um dem
Geſchoͤpf eine untragbare Schwere zu erſparen, mit Luft an-

fuͤllte.
*) Nach Buffon, Daubenton, Camper und zum Theil Zim-
mermanns
Beſchreibung eines ungebohrnen Elephanten.
**) Die Trummeln und Hoͤlen der proceſſus mammillares u. f.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0149" n="127"/>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#aq">III.</hi><lb/>
Bei&#x017F;piele vom phi&#x017F;iologi&#x017F;chen Bau einiger<lb/>
Thiere.</head><lb/>
          <p><hi rendition="#in">D</hi>er <hi rendition="#fr">Elephant</hi><note place="foot" n="*)">Nach <hi rendition="#fr">Buffon, Daubenton, Camper</hi> und zum Theil <hi rendition="#fr">Zim-<lb/>
mermanns</hi> Be&#x017F;chreibung eines ungebohrnen Elephanten.</note>, &#x017F;o unfo&#x0364;rmlich er &#x017F;cheinet, giebt phy&#x017F;io-<lb/>
logi&#x017F;che Gru&#x0364;nde genug von &#x017F;einem, dem Men&#x017F;chen &#x017F;o a&#x0364;hnli-<lb/>
chen Vorzuge vor allen lebenden Thieren. Zwar i&#x017F;t &#x017F;ein<lb/>
Gehirn, der Gro&#x0364;ße des Thiers nach, nicht u&#x0364;berma&#x0364;ßig; die<lb/>
Ho&#x0364;len de&#x017F;&#x017F;elben aber und &#x017F;ein ganzer Bau i&#x017F;t dem men&#x017F;chli-<lb/>
chen &#x017F;ehr a&#x0364;hnlich. &#x201E;Jch war er&#x017F;taunt, &#x017F;agt Camper, eine &#x017F;ol-<lb/>
che Aehnlichkeit zwi&#x017F;chen der <hi rendition="#aq">glandula pineali&#x017F;,</hi> den <hi rendition="#aq">nate&#x017F;</hi> und<lb/><hi rendition="#aq">te&#x017F;te&#x017F;</hi> die&#x017F;es Thiers mit denen in un&#x017F;erm Gehirn zu finden;<lb/>
wenn irgendwo ein <hi rendition="#aq">&#x017F;en&#x017F;orium commune</hi> &#x017F;tatt haben kann, &#x017F;o<lb/>
muß es hier ge&#x017F;ucht werden.&#x201C; Die Hirn&#x017F;chale i&#x017F;t im Ver-<lb/>
ha&#x0364;ltniß des Kopfs klein, weil die Na&#x017F;enho&#x0364;le weit oberhalb<lb/>
dem Gehirn la&#x0364;uft und nicht nur die Stirn- &#x017F;ondern auch an-<lb/>
dre Ho&#x0364;len <note place="foot" n="**)">Die Trummeln und Ho&#x0364;len der <hi rendition="#aq">proce&#x017F;&#x017F;us mammillares</hi> u. f.</note> mit Luft anfu&#x0364;llet: denn um die &#x017F;chweren<lb/>
Kinnladen zu bewegen wurden &#x017F;tarke Muskeln und große<lb/>
Oberfla&#x0364;chen erfodert, die die bildende Mutter al&#x017F;o, um dem<lb/>
Ge&#x017F;cho&#x0364;pf eine untragbare Schwere zu er&#x017F;paren, mit Luft an-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">fu&#x0364;llte.</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[127/0149] III. Beiſpiele vom phiſiologiſchen Bau einiger Thiere. Der Elephant *), ſo unfoͤrmlich er ſcheinet, giebt phyſio- logiſche Gruͤnde genug von ſeinem, dem Menſchen ſo aͤhnli- chen Vorzuge vor allen lebenden Thieren. Zwar iſt ſein Gehirn, der Groͤße des Thiers nach, nicht uͤbermaͤßig; die Hoͤlen deſſelben aber und ſein ganzer Bau iſt dem menſchli- chen ſehr aͤhnlich. „Jch war erſtaunt, ſagt Camper, eine ſol- che Aehnlichkeit zwiſchen der glandula pinealiſ, den nateſ und teſteſ dieſes Thiers mit denen in unſerm Gehirn zu finden; wenn irgendwo ein ſenſorium commune ſtatt haben kann, ſo muß es hier geſucht werden.“ Die Hirnſchale iſt im Ver- haͤltniß des Kopfs klein, weil die Naſenhoͤle weit oberhalb dem Gehirn laͤuft und nicht nur die Stirn- ſondern auch an- dre Hoͤlen **) mit Luft anfuͤllet: denn um die ſchweren Kinnladen zu bewegen wurden ſtarke Muskeln und große Oberflaͤchen erfodert, die die bildende Mutter alſo, um dem Geſchoͤpf eine untragbare Schwere zu erſparen, mit Luft an- fuͤllte. *) Nach Buffon, Daubenton, Camper und zum Theil Zim- mermanns Beſchreibung eines ungebohrnen Elephanten. **) Die Trummeln und Hoͤlen der proceſſus mammillares u. f.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte01_1784
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte01_1784/149
Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 1. Riga u. a., 1784, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte01_1784/149>, abgerufen am 03.05.2024.