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Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 1. Riga u. a., 1784.

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schenden Geistes und seiner gründlichen Wahrheitsliebe seyn
wird. Nach gelehrten und Ordnungsvollen Betrachtungen
über die mancherley Arten der thierischen Triebe, sucht er die-
selbe aus Vorzügen ihres Mechanismus, ihrer Sinne und
ihrer inneren Empfindung zu erklären; glaubt aber noch, in-
sonderheit bey den Kunsttrieben, besondere determinirte Na-
turkräfte
und natürlich angebohrne Fertigkeiten anneh-
men zu müssen, die weiter keine Erklärung leiden. Jch
glaube das letzte nicht; denn die Zusammensetzung der gan-
zen Maschine mit solchen und keinen andern Kräften, Sin-
nen, Vorstellungen und Empfindungen, kurz die Organisa-
tion des Geschöpfs selbst war die gewisseste Richtung,
die vollkommenste Determination
, die die Natur ihrem
Werk eindrücken konnte.

Als der Schöpfer die Pflanze baute und dieselbe mit
solchen Theilen, mit solchen Anziehungs- und Verwandlungs-
kräften des Lichts, der Luft, und andrer feinen Wesen, die sich
aus Luft und Wasser zu ihr drängen, begabte: da er sie end-
lich in ihr Element pflanzte, wo jeder Theil die ihm wesentli-
chen Kräfte natürlich äussert: so hatte er, dünkt mich, keinen
neuen und blinden Trieb zur Vegetation dem Geschöpf an-
zuschaffen nöthig. Jeder Theil mit seiner lebendigen Kraft
thut das Seine und so wird bei der ganzen Erscheinung das

Re-

ſchenden Geiſtes und ſeiner gruͤndlichen Wahrheitsliebe ſeyn
wird. Nach gelehrten und Ordnungsvollen Betrachtungen
uͤber die mancherley Arten der thieriſchen Triebe, ſucht er die-
ſelbe aus Vorzuͤgen ihres Mechaniſmus, ihrer Sinne und
ihrer inneren Empfindung zu erklaͤren; glaubt aber noch, in-
ſonderheit bey den Kunſttrieben, beſondere determinirte Na-
turkraͤfte
und natuͤrlich angebohrne Fertigkeiten anneh-
men zu muͤſſen, die weiter keine Erklaͤrung leiden. Jch
glaube das letzte nicht; denn die Zuſammenſetzung der gan-
zen Maſchine mit ſolchen und keinen andern Kraͤften, Sin-
nen, Vorſtellungen und Empfindungen, kurz die Organiſa-
tion des Geſchoͤpfs ſelbſt war die gewiſſeſte Richtung,
die vollkommenſte Determination
, die die Natur ihrem
Werk eindruͤcken konnte.

Als der Schoͤpfer die Pflanze baute und dieſelbe mit
ſolchen Theilen, mit ſolchen Anziehungs- und Verwandlungs-
kraͤften des Lichts, der Luft, und andrer feinen Weſen, die ſich
aus Luft und Waſſer zu ihr draͤngen, begabte: da er ſie end-
lich in ihr Element pflanzte, wo jeder Theil die ihm weſentli-
chen Kraͤfte natuͤrlich aͤuſſert: ſo hatte er, duͤnkt mich, keinen
neuen und blinden Trieb zur Vegetation dem Geſchoͤpf an-
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[135/0157] ſchenden Geiſtes und ſeiner gruͤndlichen Wahrheitsliebe ſeyn wird. Nach gelehrten und Ordnungsvollen Betrachtungen uͤber die mancherley Arten der thieriſchen Triebe, ſucht er die- ſelbe aus Vorzuͤgen ihres Mechaniſmus, ihrer Sinne und ihrer inneren Empfindung zu erklaͤren; glaubt aber noch, in- ſonderheit bey den Kunſttrieben, beſondere determinirte Na- turkraͤfte und natuͤrlich angebohrne Fertigkeiten anneh- men zu muͤſſen, die weiter keine Erklaͤrung leiden. Jch glaube das letzte nicht; denn die Zuſammenſetzung der gan- zen Maſchine mit ſolchen und keinen andern Kraͤften, Sin- nen, Vorſtellungen und Empfindungen, kurz die Organiſa- tion des Geſchoͤpfs ſelbſt war die gewiſſeſte Richtung, die vollkommenſte Determination, die die Natur ihrem Werk eindruͤcken konnte. Als der Schoͤpfer die Pflanze baute und dieſelbe mit ſolchen Theilen, mit ſolchen Anziehungs- und Verwandlungs- kraͤften des Lichts, der Luft, und andrer feinen Weſen, die ſich aus Luft und Waſſer zu ihr draͤngen, begabte: da er ſie end- lich in ihr Element pflanzte, wo jeder Theil die ihm weſentli- chen Kraͤfte natuͤrlich aͤuſſert: ſo hatte er, duͤnkt mich, keinen neuen und blinden Trieb zur Vegetation dem Geſchoͤpf an- zuſchaffen noͤthig. Jeder Theil mit ſeiner lebendigen Kraft thut das Seine und ſo wird bei der ganzen Erſcheinung das Re-

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 1. Riga u. a., 1784, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte01_1784/157>, abgerufen am 21.11.2024.