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Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 1. Riga u. a., 1784.

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Structur in den einzelnen Sinnen des Ungebohrnen, als ob
die große Künstlerin denselben allein zum Gehirn und zu den
Kräften innerer Bewegung erschaffen wollte, bis sie allmälich
auch die andern Glieder als Werkzeuge und Darstellung
des Jnnern nachholet. Schon also in Mutterleibe wird der
Mensch zur aufrechten Stellung und zu allem, was von ihr
abhängt, gebildet. Jn keinem hangenden Thierleibe wird
er getragen; ihm ist eine künstlichere Formungsstäte bereitet,
die auf ihrer Basis ruhet. Da sitzt der kleine Schlafende
und das Blut dringt zu seinem Haupt bis dieses durch seine
eigne Schwere sinket. Kurz, der Mensch ist was er seyn
soll (und dazu wirken alle Theile) ein aufstrebender Baum,
gekrönt mit der schönsten Krone einer feinern Gedanken-
bildung
.

II.
Zurücksicht von der Organisation des menschli-
chen Haupts auf die niedern Geschöpfe, die
sich seiner Bildung nähern.



Jst unser weg bisher richtig gewesen; so muß, da die Na-
tur immer gleichförmig wirkt, auch bei niedrigern Geschöpfen


dieselbe

Structur in den einzelnen Sinnen des Ungebohrnen, als ob
die große Kuͤnſtlerin denſelben allein zum Gehirn und zu den
Kraͤften innerer Bewegung erſchaffen wollte, bis ſie allmaͤlich
auch die andern Glieder als Werkzeuge und Darſtellung
des Jnnern nachholet. Schon alſo in Mutterleibe wird der
Menſch zur aufrechten Stellung und zu allem, was von ihr
abhaͤngt, gebildet. Jn keinem hangenden Thierleibe wird
er getragen; ihm iſt eine kuͤnſtlichere Formungsſtaͤte bereitet,
die auf ihrer Baſis ruhet. Da ſitzt der kleine Schlafende
und das Blut dringt zu ſeinem Haupt bis dieſes durch ſeine
eigne Schwere ſinket. Kurz, der Menſch iſt was er ſeyn
ſoll (und dazu wirken alle Theile) ein aufſtrebender Baum,
gekroͤnt mit der ſchoͤnſten Krone einer feinern Gedanken-
bildung
.

II.
Zuruͤckſicht von der Organiſation des menſchli-
chen Haupts auf die niedern Geſchoͤpfe, die
ſich ſeiner Bildung naͤhern.



Jſt unſer weg bisher richtig geweſen; ſo muß, da die Na-
tur immer gleichfoͤrmig wirkt, auch bei niedrigern Geſchoͤpfen


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[208[188]/0210] Structur in den einzelnen Sinnen des Ungebohrnen, als ob die große Kuͤnſtlerin denſelben allein zum Gehirn und zu den Kraͤften innerer Bewegung erſchaffen wollte, bis ſie allmaͤlich auch die andern Glieder als Werkzeuge und Darſtellung des Jnnern nachholet. Schon alſo in Mutterleibe wird der Menſch zur aufrechten Stellung und zu allem, was von ihr abhaͤngt, gebildet. Jn keinem hangenden Thierleibe wird er getragen; ihm iſt eine kuͤnſtlichere Formungsſtaͤte bereitet, die auf ihrer Baſis ruhet. Da ſitzt der kleine Schlafende und das Blut dringt zu ſeinem Haupt bis dieſes durch ſeine eigne Schwere ſinket. Kurz, der Menſch iſt was er ſeyn ſoll (und dazu wirken alle Theile) ein aufſtrebender Baum, gekroͤnt mit der ſchoͤnſten Krone einer feinern Gedanken- bildung. II. Zuruͤckſicht von der Organiſation des menſchli- chen Haupts auf die niedern Geſchoͤpfe, die ſich ſeiner Bildung naͤhern. Jſt unſer weg bisher richtig geweſen; ſo muß, da die Na- tur immer gleichfoͤrmig wirkt, auch bei niedrigern Geſchoͤpfen dieſelbe

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 1. Riga u. a., 1784, S. 208[188]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte01_1784/210>, abgerufen am 21.11.2024.