Und wohin kehren nun diese geistigen Kräfte, die allem Sinn der Menschen entgehen? Weise hat die Natur hier ei- nen Vorhang vorgezogen und läßt uns, die wir hiezu keine Sinne haben, in das geistige Reich ihrer Verwandlungen und Uebergänge nicht hineinschauen; wahrscheinlich würde sich auch der Blick dahin mit unsrer Exsistenz auf Erden und alle den sinnlichen Empfindungen, denen wir noch unterwor- fen sind, nicht vertragen. Sie legte uns also nur Uebergän- ge aus den niedern Reichen und in den höhern nur aufsteigende Formen dar; ihre tausend unsichtbare Wege der Ueberleitung behielt sie sich selbst vor; und so ward das Reich der Ungebohrnen die große ule oder der Hades, in welchen kein menschliches Auge reichet. Zwar schei- net diesem Untergange die bestimmte Form entgegen zu stehen, der jede Gattung treu bleibt und in welcher sich auch das kleinste Gebein nicht verändert; allein auch hie- von ist der Grund sichtbar: da jedes Geschöpf nur durch Geschöpfe seiner Gattung organisirt werden kann und darf. Die veste Ordnungsreiche Mutter hat also die Wege genau bestimmt, auf denen eine organische Kraft, sie sei herr- schend oder dienend, zur sichtbaren Wirksamkeit gelangen soll- te und so kann ihren einmal bestimmten Formen nichts ent- schlüpfen. Jm Menschenreich z. B. herrscht die größeste Mannichfaltigkeit von Neigungen und Anlagen, die wir oft
als
Und wohin kehren nun dieſe geiſtigen Kraͤfte, die allem Sinn der Menſchen entgehen? Weiſe hat die Natur hier ei- nen Vorhang vorgezogen und laͤßt uns, die wir hiezu keine Sinne haben, in das geiſtige Reich ihrer Verwandlungen und Uebergaͤnge nicht hineinſchauen; wahrſcheinlich wuͤrde ſich auch der Blick dahin mit unſrer Exſiſtenz auf Erden und alle den ſinnlichen Empfindungen, denen wir noch unterwor- fen ſind, nicht vertragen. Sie legte uns alſo nur Uebergaͤn- ge aus den niedern Reichen und in den hoͤhern nur aufſteigende Formen dar; ihre tauſend unſichtbare Wege der Ueberleitung behielt ſie ſich ſelbſt vor; und ſo ward das Reich der Ungebohrnen die große υλη oder der Hades, in welchen kein menſchliches Auge reichet. Zwar ſchei- net dieſem Untergange die beſtimmte Form entgegen zu ſtehen, der jede Gattung treu bleibt und in welcher ſich auch das kleinſte Gebein nicht veraͤndert; allein auch hie- von iſt der Grund ſichtbar: da jedes Geſchoͤpf nur durch Geſchoͤpfe ſeiner Gattung organiſirt werden kann und darf. Die veſte Ordnungsreiche Mutter hat alſo die Wege genau beſtimmt, auf denen eine organiſche Kraft, ſie ſei herr- ſchend oder dienend, zur ſichtbaren Wirkſamkeit gelangen ſoll- te und ſo kann ihren einmal beſtimmten Formen nichts ent- ſchluͤpfen. Jm Menſchenreich z. B. herrſcht die groͤßeſte Mannichfaltigkeit von Neigungen und Anlagen, die wir oft
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Und wohin kehren nun dieſe geiſtigen Kraͤfte, die allem
Sinn der Menſchen entgehen? Weiſe hat die Natur hier ei-
nen Vorhang vorgezogen und laͤßt uns, die wir hiezu keine
Sinne haben, in das geiſtige Reich ihrer Verwandlungen
und Uebergaͤnge nicht hineinſchauen; wahrſcheinlich wuͤrde
ſich auch der Blick dahin mit unſrer Exſiſtenz auf Erden und
alle den ſinnlichen Empfindungen, denen wir noch unterwor-
fen ſind, nicht vertragen. Sie legte uns alſo nur Uebergaͤn-
ge aus den niedern Reichen und in den hoͤhern nur
aufſteigende Formen dar; ihre tauſend unſichtbare Wege
der Ueberleitung behielt ſie ſich ſelbſt vor; und ſo ward das
Reich der Ungebohrnen die große υλη oder der Hades, in
welchen kein menſchliches Auge reichet. Zwar ſchei-
net dieſem Untergange die beſtimmte Form entgegen
zu ſtehen, der jede Gattung treu bleibt und in welcher
ſich auch das kleinſte Gebein nicht veraͤndert; allein auch hie-
von iſt der Grund ſichtbar: da jedes Geſchoͤpf nur durch
Geſchoͤpfe ſeiner Gattung organiſirt werden kann und
darf. Die veſte Ordnungsreiche Mutter hat alſo die Wege
genau beſtimmt, auf denen eine organiſche Kraft, ſie ſei herr-
ſchend oder dienend, zur ſichtbaren Wirkſamkeit gelangen ſoll-
te und ſo kann ihren einmal beſtimmten Formen nichts ent-
ſchluͤpfen. Jm Menſchenreich z. B. herrſcht die groͤßeſte
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Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 1. Riga u. a., 1784, S. 286[266]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte01_1784/288>, abgerufen am 28.11.2024.
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