Kräfte wirken andre Himmelswesen. Die Sonne, der ewi- ge Feuerball, regt sie mit seinen Stralen: der Mond, dieser drückende schwere Körper, der vielleicht gar in ihrer Atmo- sphäre hangt, drückt sie jetzt mit seinem kalten und finstern, jetzt mit seinem von der Sonne erwärmten Antlitz. Bald ist er vor, bald hinter ihr; jetzt ist sie der Sonne näher, jetzt ferner. Andre Himmelskörper nahen sich ihr, drängen auf ihre Bahn und modificiren ihre Kräfte. Das ganze Him- melssystem ist ein Streben gleich-oder ungleichartiger aber mit großer Stärke getriebner Kugeln gegen einander; und nur die Eine große Jdee der Allmacht ists, die dies Getriebe gegen einander wog und ihnen in ihrem Kampf beistehet. Der menschliche Verstand hat auch hier im weitesten Laby- rinth strebender Kräfte einen Faden gefunden und beinah Wunderdinge geleistet, zu denen ihm der so unregel- mäßige, von zwey entgegengesetzten Druckwerken getriebne und glücklicher Weise uns so nahe Mond die größeste För- derung gab. Werden einst alle diese Bemerkungen und ih- re Resultate auf die Veränderungen unsrer Luftkugel ange- wandt werden, wie sie bei der Ebbe und Fluth schon ange- wandt sind: wird ein vieljähriger Fleiß an verschiednen Or- ten der Erde, mit der Hülfe zarter Werkzeuge, die zum Theil schon erfunden sind, fortfahren, die Revolutionen dieses himmlischen Meers nach Zeiten und Lagen zu ordnen und zu
einem
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Kraͤfte wirken andre Himmelsweſen. Die Sonne, der ewi- ge Feuerball, regt ſie mit ſeinen Stralen: der Mond, dieſer druͤckende ſchwere Koͤrper, der vielleicht gar in ihrer Atmo- ſphaͤre hangt, druͤckt ſie jetzt mit ſeinem kalten und finſtern, jetzt mit ſeinem von der Sonne erwaͤrmten Antlitz. Bald iſt er vor, bald hinter ihr; jetzt iſt ſie der Sonne naͤher, jetzt ferner. Andre Himmelskoͤrper nahen ſich ihr, draͤngen auf ihre Bahn und modificiren ihre Kraͤfte. Das ganze Him- melsſyſtem iſt ein Streben gleich-oder ungleichartiger aber mit großer Staͤrke getriebner Kugeln gegen einander; und nur die Eine große Jdee der Allmacht iſts, die dies Getriebe gegen einander wog und ihnen in ihrem Kampf beiſtehet. Der menſchliche Verſtand hat auch hier im weiteſten Laby- rinth ſtrebender Kraͤfte einen Faden gefunden und beinah Wunderdinge geleiſtet, zu denen ihm der ſo unregel- maͤßige, von zwey entgegengeſetzten Druckwerken getriebne und gluͤcklicher Weiſe uns ſo nahe Mond die groͤßeſte Foͤr- derung gab. Werden einſt alle dieſe Bemerkungen und ih- re Reſultate auf die Veraͤnderungen unſrer Luftkugel ange- wandt werden, wie ſie bei der Ebbe und Fluth ſchon ange- wandt ſind: wird ein vieljaͤhriger Fleiß an verſchiednen Or- ten der Erde, mit der Huͤlfe zarter Werkzeuge, die zum Theil ſchon erfunden ſind, fortfahren, die Revolutionen dieſes himmliſchen Meers nach Zeiten und Lagen zu ordnen und zu
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Kraͤfte wirken andre Himmelsweſen. Die Sonne, der ewi-
ge Feuerball, regt ſie mit ſeinen Stralen: der Mond, dieſer
druͤckende ſchwere Koͤrper, der vielleicht gar in ihrer Atmo-
ſphaͤre hangt, druͤckt ſie jetzt mit ſeinem kalten und finſtern,
jetzt mit ſeinem von der Sonne erwaͤrmten Antlitz. Bald
iſt er vor, bald hinter ihr; jetzt iſt ſie der Sonne naͤher, jetzt
ferner. Andre Himmelskoͤrper nahen ſich ihr, draͤngen auf
ihre Bahn und modificiren ihre Kraͤfte. Das ganze Him-
melsſyſtem iſt ein Streben gleich-oder ungleichartiger aber
mit großer Staͤrke getriebner Kugeln gegen einander; und
nur die Eine große Jdee der Allmacht iſts, die dies Getriebe
gegen einander wog und ihnen in ihrem Kampf beiſtehet.
Der menſchliche Verſtand hat auch hier im weiteſten Laby-
rinth ſtrebender Kraͤfte einen Faden gefunden und beinah
Wunderdinge geleiſtet, zu denen ihm der ſo unregel-
maͤßige, von zwey entgegengeſetzten Druckwerken getriebne
und gluͤcklicher Weiſe uns ſo nahe Mond die groͤßeſte Foͤr-
derung gab. Werden einſt alle dieſe Bemerkungen und ih-
re Reſultate auf die Veraͤnderungen unſrer Luftkugel ange-
wandt werden, wie ſie bei der Ebbe und Fluth ſchon ange-
wandt ſind: wird ein vieljaͤhriger Fleiß an verſchiednen Or-
ten der Erde, mit der Huͤlfe zarter Werkzeuge, die zum Theil
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Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 1. Riga u. a., 1784, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte01_1784/55>, abgerufen am 21.11.2024.
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