[Herder, Johann Gottfried von]: Kritische Wälder. Bd. 1. [Riga], 1769.Glück, sein Bild der Nothwendigkeit u. s. w. erklärt. Die Maschinen des epischen Dichters müssen nicht allegori- sche Abstrakta seyn: bei Homer sind sie es nicht. 13. Homers Nebel und Unsichtbarwerden sind keine poetische Phrases: sondern gehören mit zum mythischen Wunder- baren seiner Epopee. Unsichtbar seyn ist nicht der na- türliche Zustand der homerischen Götter. 14. Auch die Größe derselben ist bei ihm nicht solch ein Hauptzug, als Macht und Schnelligkeit. Unter welchen Bedingungen, und mit welcher Mäßigung er ihre Größe schildert? Erklärung des Helms der Minerva. Von wem er das Colossalische seiner Götter entlehnet? 15. Ob Homer für uns Deutsche übersetzt werden solle? Das Fortschreitende seiner Manier, und die beständig zir- kelnden und wiederkommenden Züge in seinen Bildern sind kaum übersetzbar. 16. Das Succeßive in den Tönen ist nicht das Wesen der Dichtkunst. Ganz und gar auch nicht mit dem Coexsi- stenten der Farben zu vergleichen. Aus dem Succeßiven der Poesie folgt nicht, daß sie Handlungen schildere. Das Succeßive der Töne kommt jeder Rede zu. 17. Fehlschlüsse, wenn man die Succeßion der Töne für das Hauptmerkmal der Poesie annimmt. Homer wählt gar nicht das Fortschreitende seiner Schilderungen, um sie nicht coexsistent zu schildern; sondern weil jedesmal in dem Fortschreiten seiner Bilder die Energie derselben und seiner Gedichtart liegt. 18. Homers Gedichtart kann nicht allen Dichtarten Gesetze, und aus ihrer Manier ein oberstes Gesetz geben. Aus der A 3
Gluͤck, ſein Bild der Nothwendigkeit u. ſ. w. erklaͤrt. Die Maſchinen des epiſchen Dichters muͤſſen nicht allegori- ſche Abſtrakta ſeyn: bei Homer ſind ſie es nicht. 13. Homers Nebel und Unſichtbarwerden ſind keine poetiſche Phraſes: ſondern gehoͤren mit zum mythiſchen Wunder- baren ſeiner Epopee. Unſichtbar ſeyn iſt nicht der na- tuͤrliche Zuſtand der homeriſchen Goͤtter. 14. Auch die Groͤße derſelben iſt bei ihm nicht ſolch ein Hauptzug, als Macht und Schnelligkeit. Unter welchen Bedingungen, und mit welcher Maͤßigung er ihre Groͤße ſchildert? Erklaͤrung des Helms der Minerva. Von wem er das Coloſſaliſche ſeiner Goͤtter entlehnet? 15. Ob Homer fuͤr uns Deutſche uͤberſetzt werden ſolle? Das Fortſchreitende ſeiner Manier, und die beſtaͤndig zir- kelnden und wiederkommenden Zuͤge in ſeinen Bildern ſind kaum uͤberſetzbar. 16. Das Succeßive in den Toͤnen iſt nicht das Weſen der Dichtkunſt. Ganz und gar auch nicht mit dem Coexſi- ſtenten der Farben zu vergleichen. Aus dem Succeßiven der Poeſie folgt nicht, daß ſie Handlungen ſchildere. Das Succeßive der Toͤne kommt jeder Rede zu. 17. Fehlſchluͤſſe, wenn man die Succeßion der Toͤne fuͤr das Hauptmerkmal der Poeſie annimmt. Homer waͤhlt gar nicht das Fortſchreitende ſeiner Schilderungen, um ſie nicht coexſiſtent zu ſchildern; ſondern weil jedesmal in dem Fortſchreiten ſeiner Bilder die Energie derſelben und ſeiner Gedichtart liegt. 18. Homers Gedichtart kann nicht allen Dichtarten Geſetze, und aus ihrer Manier ein oberſtes Geſetz geben. Aus der A 3
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Gluͤck, ſein Bild der Nothwendigkeit u. ſ. w. erklaͤrt. Die
Maſchinen des epiſchen Dichters muͤſſen nicht allegori-
ſche Abſtrakta ſeyn: bei Homer ſind ſie es nicht.
13. Homers Nebel und Unſichtbarwerden ſind keine poetiſche
Phraſes: ſondern gehoͤren mit zum mythiſchen Wunder-
baren ſeiner Epopee. Unſichtbar ſeyn iſt nicht der na-
tuͤrliche Zuſtand der homeriſchen Goͤtter.
14. Auch die Groͤße derſelben iſt bei ihm nicht ſolch ein
Hauptzug, als Macht und Schnelligkeit. Unter welchen
Bedingungen, und mit welcher Maͤßigung er ihre Groͤße
ſchildert? Erklaͤrung des Helms der Minerva. Von
wem er das Coloſſaliſche ſeiner Goͤtter entlehnet?
15. Ob Homer fuͤr uns Deutſche uͤberſetzt werden ſolle?
Das Fortſchreitende ſeiner Manier, und die beſtaͤndig zir-
kelnden und wiederkommenden Zuͤge in ſeinen Bildern
ſind kaum uͤberſetzbar.
16. Das Succeßive in den Toͤnen iſt nicht das Weſen der
Dichtkunſt. Ganz und gar auch nicht mit dem Coexſi-
ſtenten der Farben zu vergleichen. Aus dem Succeßiven
der Poeſie folgt nicht, daß ſie Handlungen ſchildere. Das
Succeßive der Toͤne kommt jeder Rede zu.
17. Fehlſchluͤſſe, wenn man die Succeßion der Toͤne fuͤr
das Hauptmerkmal der Poeſie annimmt. Homer waͤhlt
gar nicht das Fortſchreitende ſeiner Schilderungen, um
ſie nicht coexſiſtent zu ſchildern; ſondern weil jedesmal
in dem Fortſchreiten ſeiner Bilder die Energie derſelben
und ſeiner Gedichtart liegt.
18. Homers Gedichtart kann nicht allen Dichtarten Geſetze,
und aus ihrer Manier ein oberſtes Geſetz geben. Aus
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