[Herder, Johann Gottfried von]: Kritische Wälder. Bd. 1. [Riga], 1769.Erstes Wäldchen. Was sie damit soll? antwortet Hr. Klotz a): "sie"soll damit die Macht des Glücks anzeigen, die "Göttinn anzeigen, der nichts widerstehet, der al- "les weichen muß, die Göttinn von unwandelbarem "Willen. Wie schön alles passet! Das Gemälde "muß allen gefallen, die poetischen Geist haben." Hätte Hr. Kl. gesagt, die malerischen Geist ha- ben, so recht! -- aber die poetischen Geist haben? ich wüßte nicht, was in der Wirkung des Gemäldes poetisches wäre. Der Dichter hat einen andern Pinsel, die Göttinn zu charakterisiren, der nichts widersteht, der alles weichen muß, die von unwan- delbarem Willen ist, als daß er ihr ein Stück Bley, und Eisen in die Hand gebe, und sie damit traben lasse: die mindeste Handlung, ja das bloße Wort: sie ist die Göttinn, der nichts widersteht, der alles weichen muß, ist besser, als eine mit Mordgeweh- ren wandelnde Figur. Kurz: nicht die Beschaffen- heit der Attribute selbst, daß sie fürs Auge sind, auch nicht eben die Gehäuftheit der Attribute, ist der Fehler des Bildes, sondern die Komposition der- selben zu einer bloßen Symbole: zu einer Symbo- le, die nichts thut, die mit ihrem prosaischen nec abest, blos da steht, damit ihr nichts an ihrem Um- gehänge fehle, damit sie als eine völlige Symbole in einem Gemälde paradire -- dies beleidigt den Le- ser, a) Vindic. Horat. p. 154. 155. K
Erſtes Waͤldchen. Was ſie damit ſoll? antwortet Hr. Klotz a): „ſie„ſoll damit die Macht des Gluͤcks anzeigen, die „Goͤttinn anzeigen, der nichts widerſtehet, der al- „les weichen muß, die Goͤttinn von unwandelbarem „Willen. Wie ſchoͤn alles paſſet! Das Gemaͤlde „muß allen gefallen, die poetiſchen Geiſt haben.„ Haͤtte Hr. Kl. geſagt, die maleriſchen Geiſt ha- ben, ſo recht! — aber die poetiſchen Geiſt haben? ich wuͤßte nicht, was in der Wirkung des Gemaͤldes poetiſches waͤre. Der Dichter hat einen andern Pinſel, die Goͤttinn zu charakteriſiren, der nichts widerſteht, der alles weichen muß, die von unwan- delbarem Willen iſt, als daß er ihr ein Stuͤck Bley, und Eiſen in die Hand gebe, und ſie damit traben laſſe: die mindeſte Handlung, ja das bloße Wort: ſie iſt die Goͤttinn, der nichts widerſteht, der alles weichen muß, iſt beſſer, als eine mit Mordgeweh- ren wandelnde Figur. Kurz: nicht die Beſchaffen- heit der Attribute ſelbſt, daß ſie fuͤrs Auge ſind, auch nicht eben die Gehaͤuftheit der Attribute, iſt der Fehler des Bildes, ſondern die Kompoſition der- ſelben zu einer bloßen Symbole: zu einer Symbo- le, die nichts thut, die mit ihrem proſaiſchen nec abeſt, blos da ſteht, damit ihr nichts an ihrem Um- gehaͤnge fehle, damit ſie als eine voͤllige Symbole in einem Gemaͤlde paradire — dies beleidigt den Le- ſer, a) Vindic. Horat. p. 154. 155. K
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Erſtes Waͤldchen.
Was ſie damit ſoll? antwortet Hr. Klotz a): „ſie
„ſoll damit die Macht des Gluͤcks anzeigen, die
„Goͤttinn anzeigen, der nichts widerſtehet, der al-
„les weichen muß, die Goͤttinn von unwandelbarem
„Willen. Wie ſchoͤn alles paſſet! Das Gemaͤlde
„muß allen gefallen, die poetiſchen Geiſt haben.„
Haͤtte Hr. Kl. geſagt, die maleriſchen Geiſt ha-
ben, ſo recht! — aber die poetiſchen Geiſt haben?
ich wuͤßte nicht, was in der Wirkung des Gemaͤldes
poetiſches waͤre. Der Dichter hat einen andern
Pinſel, die Goͤttinn zu charakteriſiren, der nichts
widerſteht, der alles weichen muß, die von unwan-
delbarem Willen iſt, als daß er ihr ein Stuͤck Bley,
und Eiſen in die Hand gebe, und ſie damit traben
laſſe: die mindeſte Handlung, ja das bloße Wort:
ſie iſt die Goͤttinn, der nichts widerſteht, der alles
weichen muß, iſt beſſer, als eine mit Mordgeweh-
ren wandelnde Figur. Kurz: nicht die Beſchaffen-
heit der Attribute ſelbſt, daß ſie fuͤrs Auge ſind,
auch nicht eben die Gehaͤuftheit der Attribute, iſt
der Fehler des Bildes, ſondern die Kompoſition der-
ſelben zu einer bloßen Symbole: zu einer Symbo-
le, die nichts thut, die mit ihrem proſaiſchen nec
abeſt, blos da ſteht, damit ihr nichts an ihrem Um-
gehaͤnge fehle, damit ſie als eine voͤllige Symbole in
einem Gemaͤlde paradire — dies beleidigt den Le-
ſer,
a) Vindic. Horat. p. 154. 155.
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