Herder, Johann Gottfried von: Kritische Wälder. Bd. 2. Riga, 1769.Zweites Wäldchen. Raphaels ewiger Vater steht wie ein grauer Greis:ist das der Gott, der da bleibet, wie er ist? Gott sehe z. E. auf die Erde herab: ist das der Allwissen- de, was siehet er ewig auf die Kugel herunter? Siehet er auch was neben ihm ist? Gott wäge die Erde: sie hat ein Maaß gegen Gott, und muß dazu ein proportionirtes Maaß haben: was hat das Bild für einen Ball in der Hand, um damit zu spielen? -- Nun setze man noch gar unwürdi- gere Vorstellungen: einen klotzischen Postillon mit einem Brande in einer Hand auf einen Wagen -- Blasphemien! "Wie wollet ihr mich bilden? und "wem wollet ihr mich vergleichen?" spricht Je- hovah. "Christus als einen Apollo im Belvedere a)" Und a) p. 111. 112. Hr. Kl. hat für gut gefunden, bei der Ges legenheit die Winkelmannische Beschreibung Apollo's in sein Latein hinzugießen. G 2
Zweites Waͤldchen. Raphaels ewiger Vater ſteht wie ein grauer Greis:iſt das der Gott, der da bleibet, wie er iſt? Gott ſehe z. E. auf die Erde herab: iſt das der Allwiſſen- de, was ſiehet er ewig auf die Kugel herunter? Siehet er auch was neben ihm iſt? Gott waͤge die Erde: ſie hat ein Maaß gegen Gott, und muß dazu ein proportionirtes Maaß haben: was hat das Bild fuͤr einen Ball in der Hand, um damit zu ſpielen? — Nun ſetze man noch gar unwuͤrdi- gere Vorſtellungen: einen klotziſchen Poſtillon mit einem Brande in einer Hand auf einen Wagen — Blasphemien! „Wie wollet ihr mich bilden? und „wem wollet ihr mich vergleichen?„ ſpricht Je- hovah. „Chriſtus als einen Apollo im Belvedere a)„ Und a) p. 111. 112. Hr. Kl. hat fuͤr gut gefunden, bei der Ges legenheit die Winkelmanniſche Beſchreibung Apollo’s in ſein Latein hinzugießen. G 2
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0105" n="99"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Zweites Waͤldchen.</hi></fw><lb/> Raphaels ewiger Vater ſteht wie ein grauer Greis:<lb/> iſt das der Gott, der da bleibet, wie er iſt? Gott<lb/> ſehe z. E. auf die Erde herab: iſt das der Allwiſſen-<lb/> de, was ſiehet er ewig auf die Kugel herunter?<lb/> Siehet er auch was neben ihm iſt? Gott waͤge die<lb/> Erde: ſie hat ein Maaß gegen Gott, und muß<lb/> dazu ein proportionirtes Maaß haben: was hat<lb/> das Bild fuͤr einen Ball in der Hand, um damit<lb/> zu ſpielen? — Nun ſetze man noch gar unwuͤrdi-<lb/> gere Vorſtellungen: einen klotziſchen Poſtillon mit<lb/> einem Brande in einer Hand auf einen Wagen —<lb/> Blasphemien! „Wie wollet ihr mich bilden? und<lb/> „wem wollet ihr mich vergleichen?„ ſpricht Je-<lb/> hovah.</p><lb/> <p>„<hi rendition="#fr">Chriſtus als einen Apollo</hi> im Belvedere <note place="foot" n="a)"><hi rendition="#aq">p.</hi> 111. 112. Hr. Kl. hat fuͤr gut gefunden, bei der Ges<lb/> legenheit die Winkelmanniſche Beſchreibung Apollo’s<lb/> in ſein Latein hinzugießen.</note>„<lb/> eben als wenn Chriſtus einen Python <hi rendition="#fr">im Zorne</hi> ge-<lb/> toͤdtet — doch hieruͤber mag ein Klopſtock in der<lb/> vorangezognen Stelle, und ein Mann von der ent-<lb/> gegengeſetzteſten Denkart, <hi rendition="#fr">Webb,</hi> ſprechen. Der<lb/> vatikaniſche Apollo wenigſtens ſcheint nicht dem<lb/> Charakter des Erloͤſers dem Hauptanblicke nach,<lb/> und in der Beſtimmung ſeines Lebens zu entſpre-<lb/> chen, ſonſt — — Doch ich werde theologiſch, da<lb/> ich doch in der Schule eines poetiſchen und Kunſt-<lb/> critikus bin — —</p><lb/> <fw place="bottom" type="sig">G 2</fw> <fw place="bottom" type="catch">Und</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [99/0105]
Zweites Waͤldchen.
Raphaels ewiger Vater ſteht wie ein grauer Greis:
iſt das der Gott, der da bleibet, wie er iſt? Gott
ſehe z. E. auf die Erde herab: iſt das der Allwiſſen-
de, was ſiehet er ewig auf die Kugel herunter?
Siehet er auch was neben ihm iſt? Gott waͤge die
Erde: ſie hat ein Maaß gegen Gott, und muß
dazu ein proportionirtes Maaß haben: was hat
das Bild fuͤr einen Ball in der Hand, um damit
zu ſpielen? — Nun ſetze man noch gar unwuͤrdi-
gere Vorſtellungen: einen klotziſchen Poſtillon mit
einem Brande in einer Hand auf einen Wagen —
Blasphemien! „Wie wollet ihr mich bilden? und
„wem wollet ihr mich vergleichen?„ ſpricht Je-
hovah.
„Chriſtus als einen Apollo im Belvedere a)„
eben als wenn Chriſtus einen Python im Zorne ge-
toͤdtet — doch hieruͤber mag ein Klopſtock in der
vorangezognen Stelle, und ein Mann von der ent-
gegengeſetzteſten Denkart, Webb, ſprechen. Der
vatikaniſche Apollo wenigſtens ſcheint nicht dem
Charakter des Erloͤſers dem Hauptanblicke nach,
und in der Beſtimmung ſeines Lebens zu entſpre-
chen, ſonſt — — Doch ich werde theologiſch, da
ich doch in der Schule eines poetiſchen und Kunſt-
critikus bin — —
Und
a) p. 111. 112. Hr. Kl. hat fuͤr gut gefunden, bei der Ges
legenheit die Winkelmanniſche Beſchreibung Apollo’s
in ſein Latein hinzugießen.
G 2
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |