Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herder, Johann Gottfried von: Kritische Wälder. Bd. 2. Riga, 1769.

Bild:
<< vorherige Seite

Kritische Wälder.
Wunsche! -- ehrwürdige Bußprediger! Welch
ein Uz und Wieland wird vor ihnen die Hände fal-
ten, seine Liederchen nicht gleich verbrennen! --
Man thut uns einen Gefallen, wenn man uns reli-
giös; nicht aber, daß man uns übergläubisch, und
eine gute Sache durch den unüberdachten Beweg-
grund lächerlich machen will. --

Ueberdem was soll Addison hier? Jch verehre
den seligen Young in diesem Zeugnisse von ihm:
vielleicht hat er auch seine Absicht erreicht, um vom
Andenken an denselben einige schwarze Züge mit
Pope u. s. w. wegzuwischen, und eine im Unterge-
hen glänzende Sonne in seinem Namen darzustel-
len -- was soll das aber hier? -- Und denn über-
haupt thäte Hr. Klotz am besten, wenn er mit dem gott-
losen Fontanio, Regnierio, Grecurtio und andern
schamlosen französischen Dichtern, unter denen wohl
Voltarius oben an stehen wird, ein christliches Au-
to-da Fe vornähme. Die Flamme würde weit zün-
den, und die schamlosen Boccacios, Aretinos, Wie-
landios
u. s. w. auch als einen Bann der Erde
wegthun. Zum Nothfalle dörfte sich auch bei ei-
nigen dieser, die schon verstorben, ihr letzter Wille,
als Bußspiegel, zur Berechtigung eines solchen
Vertilgens von der Erde, vorfinden, wie etwa Vir-
gil ein Testament über seine Aeneide gab: und wo
es sich nicht fände, dörfte man nur die noch leben-
den schamlosen Dichter christlich tödten, und ih-

nen

Kritiſche Waͤlder.
Wunſche! — ehrwuͤrdige Bußprediger! Welch
ein Uz und Wieland wird vor ihnen die Haͤnde fal-
ten, ſeine Liederchen nicht gleich verbrennen! —
Man thut uns einen Gefallen, wenn man uns reli-
gioͤs; nicht aber, daß man uns uͤberglaͤubiſch, und
eine gute Sache durch den unuͤberdachten Beweg-
grund laͤcherlich machen will. —

Ueberdem was ſoll Addiſon hier? Jch verehre
den ſeligen Young in dieſem Zeugniſſe von ihm:
vielleicht hat er auch ſeine Abſicht erreicht, um vom
Andenken an denſelben einige ſchwarze Zuͤge mit
Pope u. ſ. w. wegzuwiſchen, und eine im Unterge-
hen glaͤnzende Sonne in ſeinem Namen darzuſtel-
len — was ſoll das aber hier? — Und denn uͤber-
haupt thaͤte Hr. Klotz am beſten, wenn er mit dem gott-
loſen Fontanio, Regnierio, Grecurtio und andern
ſchamloſen franzoͤſiſchen Dichtern, unter denen wohl
Voltarius oben an ſtehen wird, ein chriſtliches Au-
to-da Fe vornaͤhme. Die Flamme wuͤrde weit zuͤn-
den, und die ſchamloſen Boccacios, Aretinos, Wie-
landios
u. ſ. w. auch als einen Bann der Erde
wegthun. Zum Nothfalle doͤrfte ſich auch bei ei-
nigen dieſer, die ſchon verſtorben, ihr letzter Wille,
als Bußſpiegel, zur Berechtigung eines ſolchen
Vertilgens von der Erde, vorfinden, wie etwa Vir-
gil ein Teſtament uͤber ſeine Aeneide gab: und wo
es ſich nicht faͤnde, doͤrfte man nur die noch leben-
den ſchamloſen Dichter chriſtlich toͤdten, und ih-

nen
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0178" n="172"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Kriti&#x017F;che Wa&#x0364;lder.</hi></fw><lb/>
Wun&#x017F;che! &#x2014; ehrwu&#x0364;rdige Bußprediger! Welch<lb/>
ein Uz und Wieland wird vor ihnen die Ha&#x0364;nde fal-<lb/>
ten, &#x017F;eine Liederchen nicht gleich verbrennen! &#x2014;<lb/>
Man thut uns einen Gefallen, wenn man uns reli-<lb/>
gio&#x0364;s; nicht aber, daß man uns u&#x0364;bergla&#x0364;ubi&#x017F;ch, und<lb/>
eine gute Sache durch den unu&#x0364;berdachten Beweg-<lb/>
grund la&#x0364;cherlich machen will. &#x2014;</p><lb/>
          <p>Ueberdem was &#x017F;oll Addi&#x017F;on hier? Jch verehre<lb/>
den &#x017F;eligen Young in die&#x017F;em Zeugni&#x017F;&#x017F;e von ihm:<lb/>
vielleicht hat er auch &#x017F;eine Ab&#x017F;icht erreicht, um vom<lb/>
Andenken an den&#x017F;elben einige &#x017F;chwarze Zu&#x0364;ge mit<lb/>
Pope u. &#x017F;. w. wegzuwi&#x017F;chen, und eine im Unterge-<lb/>
hen gla&#x0364;nzende Sonne in &#x017F;einem Namen darzu&#x017F;tel-<lb/>
len &#x2014; was &#x017F;oll das aber hier? &#x2014; Und denn u&#x0364;ber-<lb/>
haupt tha&#x0364;te Hr. Klotz am be&#x017F;ten, wenn er mit dem gott-<lb/>
lo&#x017F;en <hi rendition="#aq">Fontanio, Regnierio, Grecurtio</hi> und andern<lb/>
&#x017F;chamlo&#x017F;en franzo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;chen Dichtern, unter denen wohl<lb/><hi rendition="#aq">Voltarius</hi> oben an &#x017F;tehen wird, ein chri&#x017F;tliches Au-<lb/>
to-da Fe vorna&#x0364;hme. Die Flamme wu&#x0364;rde weit zu&#x0364;n-<lb/>
den, und die &#x017F;chamlo&#x017F;en <hi rendition="#aq">Boccacios, Aretinos, Wie-<lb/>
landios</hi> u. &#x017F;. w. auch als einen Bann der Erde<lb/>
wegthun. Zum Nothfalle do&#x0364;rfte &#x017F;ich auch bei ei-<lb/>
nigen die&#x017F;er, die &#x017F;chon ver&#x017F;torben, ihr letzter Wille,<lb/>
als Buß&#x017F;piegel, zur Berechtigung eines &#x017F;olchen<lb/>
Vertilgens von der Erde, vorfinden, wie etwa Vir-<lb/>
gil ein Te&#x017F;tament u&#x0364;ber &#x017F;eine Aeneide gab: und wo<lb/>
es &#x017F;ich nicht fa&#x0364;nde, do&#x0364;rfte man nur die noch leben-<lb/>
den &#x017F;chamlo&#x017F;en Dichter chri&#x017F;tlich to&#x0364;dten, und ih-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">nen</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[172/0178] Kritiſche Waͤlder. Wunſche! — ehrwuͤrdige Bußprediger! Welch ein Uz und Wieland wird vor ihnen die Haͤnde fal- ten, ſeine Liederchen nicht gleich verbrennen! — Man thut uns einen Gefallen, wenn man uns reli- gioͤs; nicht aber, daß man uns uͤberglaͤubiſch, und eine gute Sache durch den unuͤberdachten Beweg- grund laͤcherlich machen will. — Ueberdem was ſoll Addiſon hier? Jch verehre den ſeligen Young in dieſem Zeugniſſe von ihm: vielleicht hat er auch ſeine Abſicht erreicht, um vom Andenken an denſelben einige ſchwarze Zuͤge mit Pope u. ſ. w. wegzuwiſchen, und eine im Unterge- hen glaͤnzende Sonne in ſeinem Namen darzuſtel- len — was ſoll das aber hier? — Und denn uͤber- haupt thaͤte Hr. Klotz am beſten, wenn er mit dem gott- loſen Fontanio, Regnierio, Grecurtio und andern ſchamloſen franzoͤſiſchen Dichtern, unter denen wohl Voltarius oben an ſtehen wird, ein chriſtliches Au- to-da Fe vornaͤhme. Die Flamme wuͤrde weit zuͤn- den, und die ſchamloſen Boccacios, Aretinos, Wie- landios u. ſ. w. auch als einen Bann der Erde wegthun. Zum Nothfalle doͤrfte ſich auch bei ei- nigen dieſer, die ſchon verſtorben, ihr letzter Wille, als Bußſpiegel, zur Berechtigung eines ſolchen Vertilgens von der Erde, vorfinden, wie etwa Vir- gil ein Teſtament uͤber ſeine Aeneide gab: und wo es ſich nicht faͤnde, doͤrfte man nur die noch leben- den ſchamloſen Dichter chriſtlich toͤdten, und ih- nen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_kritische02_1769
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_kritische02_1769/178
Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Kritische Wälder. Bd. 2. Riga, 1769, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_kritische02_1769/178>, abgerufen am 21.11.2024.