Herder, Johann Gottfried von: Kritische Wälder. Bd. 3. Riga, 1769.Kritische Wälder. und Schande aller neuern Münzen so allgemeinund entscheidend zu reden, als hätten sich alle zur Musterung dargestellt, und doch nichts als die all- gemeinen Geschmacks - und Barbareiperioden, jede mit Einem Beispiele vielleicht auszurüsten, und diese ausgerüstete Figur dann mit halbem Leibe uns hinzustellen -- ist das die Ciceronianische An- kündigung "der Sache, die ich mir vorgesetzt "habe? Meine Absicht ist, aus den Münzen "gleichsam eine Geschichte des Geschmacks und "der Künste zusammen zu setzen, und ihre Blüthe, "oder ihren Verfall aus denselben zu beurtheilen. "Jch werde daher die alten Münzen, welche be- "sonders unsre Aufmerksamkeit auf sich ziehen, "mit den neuern vergleichen: Jch werde die "merkwürdigsten Perioden in der Geschichte der "Kunst durchgehen, die Münzen, welche zu je- "der derselben gehören, betrachten, und nach der "größern Anzahl guter oder schlechter Stücke mein "Urtheil fällen." O Dea Moneta, wo ist dies alles in meinem lieben Büchlein? Noch minder ist der Ton getroffen, in dem die The-
Kritiſche Waͤlder. und Schande aller neuern Muͤnzen ſo allgemeinund entſcheidend zu reden, als haͤtten ſich alle zur Muſterung dargeſtellt, und doch nichts als die all- gemeinen Geſchmacks - und Barbareiperioden, jede mit Einem Beiſpiele vielleicht auszuruͤſten, und dieſe ausgeruͤſtete Figur dann mit halbem Leibe uns hinzuſtellen — iſt das die Ciceronianiſche An- kuͤndigung „der Sache, die ich mir vorgeſetzt „habe? Meine Abſicht iſt, aus den Muͤnzen „gleichſam eine Geſchichte des Geſchmacks und „der Kuͤnſte zuſammen zu ſetzen, und ihre Bluͤthe, „oder ihren Verfall aus denſelben zu beurtheilen. „Jch werde daher die alten Muͤnzen, welche be- „ſonders unſre Aufmerkſamkeit auf ſich ziehen, „mit den neuern vergleichen: Jch werde die „merkwuͤrdigſten Perioden in der Geſchichte der „Kunſt durchgehen, die Muͤnzen, welche zu je- „der derſelben gehoͤren, betrachten, und nach der „groͤßern Anzahl guter oder ſchlechter Stuͤcke mein „Urtheil faͤllen.„ O Dea Moneta, wo iſt dies alles in meinem lieben Buͤchlein? Noch minder iſt der Ton getroffen, in dem die The-
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0024" n="18"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Kritiſche Waͤlder.</hi></fw><lb/> und Schande aller neuern Muͤnzen ſo allgemein<lb/> und entſcheidend zu reden, als haͤtten ſich alle zur<lb/> Muſterung dargeſtellt, und doch nichts als die all-<lb/> gemeinen Geſchmacks - und Barbareiperioden, jede<lb/> mit Einem Beiſpiele vielleicht auszuruͤſten, und<lb/> dieſe ausgeruͤſtete Figur dann mit halbem Leibe<lb/> uns hinzuſtellen — iſt das die Ciceronianiſche An-<lb/> kuͤndigung „der Sache, die ich mir vorgeſetzt<lb/> „habe? <hi rendition="#fr">Meine Abſicht iſt,</hi> aus den Muͤnzen<lb/> „gleichſam <hi rendition="#fr">eine Geſchichte des Geſchmacks und<lb/> „der Kuͤnſte</hi> zuſammen zu ſetzen, und ihre Bluͤthe,<lb/> „oder ihren Verfall aus denſelben zu <hi rendition="#fr">beurtheilen.</hi><lb/> „Jch werde daher die alten Muͤnzen, welche be-<lb/> „ſonders <hi rendition="#fr">unſre</hi> Aufmerkſamkeit auf ſich ziehen,<lb/> „mit <hi rendition="#fr">den neuern</hi> vergleichen: <hi rendition="#fr">Jch werde</hi> die<lb/> „merkwuͤrdigſten Perioden in der Geſchichte der<lb/> „Kunſt <hi rendition="#fr">durchgehen,</hi> die Muͤnzen, <hi rendition="#fr">welche zu je-<lb/> „der derſelben</hi> gehoͤren, betrachten, und nach der<lb/> „groͤßern Anzahl guter oder ſchlechter Stuͤcke <hi rendition="#fr">mein<lb/> „Urtheil faͤllen.</hi>„ <hi rendition="#aq">O Dea Moneta,</hi> wo iſt<lb/> dies alles in meinem lieben Buͤchlein?</p><lb/> <p>Noch minder iſt der Ton getroffen, in dem die<lb/> Griechen etwas, was zur Geſchichte gehoͤrte, leſen<lb/> wollten: der Ton des beſcheidnen Anſtandes, der wei-<lb/> ſen Maͤßigkeit. Kein Herodot, ob er gleich mit<lb/> ſeiner Hiſtorie als ein Wunder ſeiner Zeit auftrat,<lb/> kein <hi rendition="#fr">Thucydides,</hi> kein <hi rendition="#fr">Xenophon,</hi> oder jeder<lb/> andre Geſchichtsartige Schriftſteller kuͤndigte ſein<lb/> <fw place="bottom" type="catch">The-</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [18/0024]
Kritiſche Waͤlder.
und Schande aller neuern Muͤnzen ſo allgemein
und entſcheidend zu reden, als haͤtten ſich alle zur
Muſterung dargeſtellt, und doch nichts als die all-
gemeinen Geſchmacks - und Barbareiperioden, jede
mit Einem Beiſpiele vielleicht auszuruͤſten, und
dieſe ausgeruͤſtete Figur dann mit halbem Leibe
uns hinzuſtellen — iſt das die Ciceronianiſche An-
kuͤndigung „der Sache, die ich mir vorgeſetzt
„habe? Meine Abſicht iſt, aus den Muͤnzen
„gleichſam eine Geſchichte des Geſchmacks und
„der Kuͤnſte zuſammen zu ſetzen, und ihre Bluͤthe,
„oder ihren Verfall aus denſelben zu beurtheilen.
„Jch werde daher die alten Muͤnzen, welche be-
„ſonders unſre Aufmerkſamkeit auf ſich ziehen,
„mit den neuern vergleichen: Jch werde die
„merkwuͤrdigſten Perioden in der Geſchichte der
„Kunſt durchgehen, die Muͤnzen, welche zu je-
„der derſelben gehoͤren, betrachten, und nach der
„groͤßern Anzahl guter oder ſchlechter Stuͤcke mein
„Urtheil faͤllen.„ O Dea Moneta, wo iſt
dies alles in meinem lieben Buͤchlein?
Noch minder iſt der Ton getroffen, in dem die
Griechen etwas, was zur Geſchichte gehoͤrte, leſen
wollten: der Ton des beſcheidnen Anſtandes, der wei-
ſen Maͤßigkeit. Kein Herodot, ob er gleich mit
ſeiner Hiſtorie als ein Wunder ſeiner Zeit auftrat,
kein Thucydides, kein Xenophon, oder jeder
andre Geſchichtsartige Schriftſteller kuͤndigte ſein
The-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |