"Prosaische Vortrag des Dichters gefällt mir "sehr wohl, und die ganze Abhandlung ist "ein Muster, wie man von Grammatikalischen "Kleinigkeiten ohne Pendanterie schreiben "soll." * Kurz! wenn einige Grammati- ker die Abhandlung des Dionys von Hali- karnaß gülden genannt: so kann man die bei- den vor dem Meßias, und die über den Poe- tischen Stil mit mehrerem Rechte so nennen. Klopstock fand es hierinn möglich, dem Grie- chischen und Lateinischen Hexameter so nahe zu kommen, daß er größern Werken einen Vorzug gäbe, den wir durch unsre gewöhnli- che Sylbenmaaße nicht erreichen können. Er fand es möglich, ohne doch der Prosodie der Alten so genau nachkommen zu dörfen, als Uz in seinem Gedichte: der Frühling, und oh- ne ihm die Vorschlagssylbe geben zu müssen, die Kleist in seinem Frühlinge der Welt ein- führte.
Nirgends ward er so sehr Mode, als in der Schweiz: sie sahen ihn vor so vollkom- men an, "daß es nichts weiter bedörfe, als "ihn zu gebrauchen, um sich der seltensten
"Wirkun-
* Litter. Br. Th. 1. p. 108. 109.
„Proſaiſche Vortrag des Dichters gefaͤllt mir „ſehr wohl, und die ganze Abhandlung iſt „ein Muſter, wie man von Grammatikaliſchen „Kleinigkeiten ohne Pendanterie ſchreiben „ſoll.„ * Kurz! wenn einige Grammati- ker die Abhandlung des Dionys von Hali- karnaß guͤlden genannt: ſo kann man die bei- den vor dem Meßias, und die uͤber den Poe- tiſchen Stil mit mehrerem Rechte ſo nennen. Klopſtock fand es hierinn moͤglich, dem Grie- chiſchen und Lateiniſchen Hexameter ſo nahe zu kommen, daß er groͤßern Werken einen Vorzug gaͤbe, den wir durch unſre gewoͤhnli- che Sylbenmaaße nicht erreichen koͤnnen. Er fand es moͤglich, ohne doch der Proſodie der Alten ſo genau nachkommen zu doͤrfen, als Uz in ſeinem Gedichte: der Fruͤhling, und oh- ne ihm die Vorſchlagsſylbe geben zu muͤſſen, die Kleiſt in ſeinem Fruͤhlinge der Welt ein- fuͤhrte.
Nirgends ward er ſo ſehr Mode, als in der Schweiz: ſie ſahen ihn vor ſo vollkom- men an, „daß es nichts weiter bedoͤrfe, als „ihn zu gebrauchen, um ſich der ſeltenſten
„Wirkun-
* Litter. Br. Th. 1. p. 108. 109.
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„Proſaiſche Vortrag des Dichters gefaͤllt mir
„ſehr wohl, und die ganze Abhandlung iſt
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„Kleinigkeiten ohne Pendanterie ſchreiben
„ſoll.„ * Kurz! wenn einige Grammati-
ker die Abhandlung des Dionys von Hali-
karnaß guͤlden genannt: ſo kann man die bei-
den vor dem Meßias, und die uͤber den Poe-
tiſchen Stil mit mehrerem Rechte ſo nennen.
Klopſtock fand es hierinn moͤglich, dem Grie-
chiſchen und Lateiniſchen Hexameter ſo nahe
zu kommen, daß er groͤßern Werken einen
Vorzug gaͤbe, den wir durch unſre gewoͤhnli-
che Sylbenmaaße nicht erreichen koͤnnen. Er
fand es moͤglich, ohne doch der Proſodie der
Alten ſo genau nachkommen zu doͤrfen, als
Uz in ſeinem Gedichte: der Fruͤhling, und oh-
ne ihm die Vorſchlagsſylbe geben zu muͤſſen, die
Kleiſt in ſeinem Fruͤhlinge der Welt ein-
fuͤhrte.
Nirgends ward er ſo ſehr Mode, als in
der Schweiz: ſie ſahen ihn vor ſo vollkom-
men an, „daß es nichts weiter bedoͤrfe, als
„ihn zu gebrauchen, um ſich der ſeltenſten
„Wirkun-
* Litter. Br. Th. 1. p. 108. 109.
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Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 1. Riga, 1767, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_litteratur01_1767/116>, abgerufen am 16.02.2025.
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