"macht -- und so umgekehrt. Je größern "Vorrath nun unsre Sprache an einsylbigen "Wörtern hat; desto genauer müssen wir in "Beobachtung der Prosodischen Regeln seyn. "Hier darf uns die Prosodie der Griechen "und Römer, die überdem auf unsere schwer- "fälligere und vollsylbige Sprache nicht ap- "plikabel ist, gar nicht zur Regel dienen. Die "einsylbigen Wörter, die sie in ihrer Sprache "als gleichgültig ansahen, mögen wirklich in "ihrer Aussprache ein mitleres Maas gehabt "haben: oder das Maas aller übrigen Syl- "ben war auch so genau bestimmt, daß die "wenigen ancipites keinen Mißklang in der "Harmonie machen konnten. Dies ist bei- "des aber nicht bei uns. Die Natur unsrer "Sprache scheint auch selbst das Tonmaas "zu bestimmen, und vielleicht auf folgende "Weise: Alle einsylbige Nomina sind immer "lang; die einsylbige Verba auch, nur ist "und hat scheint davon eine Ausnahme zu "machen, das lang und kurz ist; die einsyl- "bigen Nomina mit ihrem Artikel, und die "Verba mit ihrem Vorwort sind offenbar "Jamben, und ein einsylbiges Adiectiuum,
"das
„macht — und ſo umgekehrt. Je groͤßern „Vorrath nun unſre Sprache an einſylbigen „Woͤrtern hat; deſto genauer muͤſſen wir in „Beobachtung der Proſodiſchen Regeln ſeyn. „Hier darf uns die Proſodie der Griechen „und Roͤmer, die uͤberdem auf unſere ſchwer- „faͤlligere und vollſylbige Sprache nicht ap- „plikabel iſt, gar nicht zur Regel dienen. Die „einſylbigen Woͤrter, die ſie in ihrer Sprache „als gleichguͤltig anſahen, moͤgen wirklich in „ihrer Ausſprache ein mitleres Maas gehabt „haben: oder das Maas aller uͤbrigen Syl- „ben war auch ſo genau beſtimmt, daß die „wenigen ancipites keinen Mißklang in der „Harmonie machen konnten. Dies iſt bei- „des aber nicht bei uns. Die Natur unſrer „Sprache ſcheint auch ſelbſt das Tonmaas „zu beſtimmen, und vielleicht auf folgende „Weiſe: Alle einſylbige Nomina ſind immer „lang; die einſylbige Verba auch, nur iſt „und hat ſcheint davon eine Ausnahme zu „machen, das lang und kurz iſt; die einſyl- „bigen Nomina mit ihrem Artikel, und die „Verba mit ihrem Vorwort ſind offenbar „Jamben, und ein einſylbiges Adiectiuum,
„das
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„macht — und ſo umgekehrt. Je groͤßern
„Vorrath nun unſre Sprache an einſylbigen
„Woͤrtern hat; deſto genauer muͤſſen wir in
„Beobachtung der Proſodiſchen Regeln ſeyn.
„Hier darf uns die Proſodie der Griechen
„und Roͤmer, die uͤberdem auf unſere ſchwer-
„faͤlligere und vollſylbige Sprache nicht ap-
„plikabel iſt, gar nicht zur Regel dienen. Die
„einſylbigen Woͤrter, die ſie in ihrer Sprache
„als gleichguͤltig anſahen, moͤgen wirklich in
„ihrer Ausſprache ein mitleres Maas gehabt
„haben: oder das Maas aller uͤbrigen Syl-
„ben war auch ſo genau beſtimmt, daß die
„wenigen ancipites keinen Mißklang in der
„Harmonie machen konnten. Dies iſt bei-
„des aber nicht bei uns. Die Natur unſrer
„Sprache ſcheint auch ſelbſt das Tonmaas
„zu beſtimmen, und vielleicht auf folgende
„Weiſe: Alle einſylbige Nomina ſind immer
„lang; die einſylbige Verba auch, nur iſt
„und hat ſcheint davon eine Ausnahme zu
„machen, das lang und kurz iſt; die einſyl-
„bigen Nomina mit ihrem Artikel, und die
„Verba mit ihrem Vorwort ſind offenbar
„Jamben, und ein einſylbiges Adiectiuum,
„das
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Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 1. Riga, 1767, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_litteratur01_1767/124>, abgerufen am 16.02.2025.
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