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Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 1. Riga, 1767.

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ten, um das Genie der Sprache zu untersu-
chen, und dasselbe zuerst mit dem Genie der
Nation zusammen zu halten. Viele Jdiotis-
men fremder Völker würden wir daraus er-
klären: (z. E. warum die meisten Nationen
der Sonne und die Mond sagen; wir aber
umgekehrt; warum das Lateinische fusus in
herba
immer für uns fremde klingt, könnte
immer aus dem Zustande unsrer alten Urvä-
ter bewiesen werden. Sie fingen bekannter
maßen von der Nacht zu rechnen an: hielten
in der Nacht ihre Zusammenkünfte, Kriegs-
und Friedensschlüsse: und wusten kein größe-
res Siegel der Verträge, als das Klirren der
Degen, mit dem Zuruf: der Mond ist Zeuge!
Eben daher ist das: im Grase hingegossen *
wohl ein zu wohllüstiges Bild für das wal-
digte kalte Deutschland, wie es vormals ge-
wesen.) Wie sehr sind nicht die alten Schot-
tischen Gedichte Abdrücke ihres Landes?

Auch die Kühnheit in Jdiotismen bei einem
einzelnen Autor gibt Gelegenheit, auf sein Ge-

nie
* s. Klopst. Abhandl. von der Poet. Spr. im 1. Th.
des Nord. Aufs.
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ten, um das Genie der Sprache zu unterſu-
chen, und daſſelbe zuerſt mit dem Genie der
Nation zuſammen zu halten. Viele Jdiotis-
men fremder Voͤlker wuͤrden wir daraus er-
klaͤren: (z. E. warum die meiſten Nationen
der Sonne und die Mond ſagen; wir aber
umgekehrt; warum das Lateiniſche fuſus in
herba
immer fuͤr uns fremde klingt, koͤnnte
immer aus dem Zuſtande unſrer alten Urvaͤ-
ter bewieſen werden. Sie fingen bekannter
maßen von der Nacht zu rechnen an: hielten
in der Nacht ihre Zuſammenkuͤnfte, Kriegs-
und Friedensſchluͤſſe: und wuſten kein groͤße-
res Siegel der Vertraͤge, als das Klirren der
Degen, mit dem Zuruf: der Mond iſt Zeuge!
Eben daher iſt das: im Graſe hingegoſſen *
wohl ein zu wohlluͤſtiges Bild fuͤr das wal-
digte kalte Deutſchland, wie es vormals ge-
weſen.) Wie ſehr ſind nicht die alten Schot-
tiſchen Gedichte Abdruͤcke ihres Landes?

Auch die Kuͤhnheit in Jdiotismen bei einem
einzelnen Autor gibt Gelegenheit, auf ſein Ge-

nie
* ſ. Klopſt. Abhandl. von der Poet. Spr. im 1. Th.
des Nord. Aufſ.
D 2
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[51/0055] ten, um das Genie der Sprache zu unterſu- chen, und daſſelbe zuerſt mit dem Genie der Nation zuſammen zu halten. Viele Jdiotis- men fremder Voͤlker wuͤrden wir daraus er- klaͤren: (z. E. warum die meiſten Nationen der Sonne und die Mond ſagen; wir aber umgekehrt; warum das Lateiniſche fuſus in herba immer fuͤr uns fremde klingt, koͤnnte immer aus dem Zuſtande unſrer alten Urvaͤ- ter bewieſen werden. Sie fingen bekannter maßen von der Nacht zu rechnen an: hielten in der Nacht ihre Zuſammenkuͤnfte, Kriegs- und Friedensſchluͤſſe: und wuſten kein groͤße- res Siegel der Vertraͤge, als das Klirren der Degen, mit dem Zuruf: der Mond iſt Zeuge! Eben daher iſt das: im Graſe hingegoſſen * wohl ein zu wohlluͤſtiges Bild fuͤr das wal- digte kalte Deutſchland, wie es vormals ge- weſen.) Wie ſehr ſind nicht die alten Schot- tiſchen Gedichte Abdruͤcke ihres Landes? Auch die Kuͤhnheit in Jdiotismen bei einem einzelnen Autor gibt Gelegenheit, auf ſein Ge- nie * ſ. Klopſt. Abhandl. von der Poet. Spr. im 1. Th. des Nord. Aufſ. D 2

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 1. Riga, 1767, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_litteratur01_1767/55>, abgerufen am 22.11.2024.