Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 1. Riga, 1767.

Bild:
<< vorherige Seite

"sonst das Auge nicht mehr an der Durch-
"forschung vergnügt, und also keine Schön-
"heiten mehr findet." Ueberhaupt kleidet
auch eine Nachdrucksvolle Schreibart die
Deutschen am besten. Die Points; die
Epigrammatische Einfälle; die Wendungen,
und der blendende Witz des Seneka und
Plinius, sind mehr für die Franzosen; und
ein Beaumelle, der in mes pensees so
glücklich ist, kann auch Pensees de Seneque
schreiben.



11.

"Gesellen Sie nun zu diesen Alten noch ei-
"nige neuere Ausländer; deren Genie bewährt,
"und deren Sprache mit der unsrigen ver-
"wandt ist: was würden wir nicht unsern
"Uebersezzern zu verdanken haben?" Diese
neuere Ausländer sind ohne Zweifel Franzo-
sen und Engländer, zwischen welchen der
Deutsche in der Mitte steht.

So wie die Franzosen vormals von der
Litteratur unsrer Nation urtheilten: so urtheil-

ten
F 4

„ſonſt das Auge nicht mehr an der Durch-
„forſchung vergnuͤgt, und alſo keine Schoͤn-
„heiten mehr findet.„ Ueberhaupt kleidet
auch eine Nachdrucksvolle Schreibart die
Deutſchen am beſten. Die Points; die
Epigrammatiſche Einfaͤlle; die Wendungen,
und der blendende Witz des Seneka und
Plinius, ſind mehr fuͤr die Franzoſen; und
ein Beaumelle, der in mes penſées ſo
gluͤcklich iſt, kann auch Penſées de Seneque
ſchreiben.



11.

Geſellen Sie nun zu dieſen Alten noch ei-
„nige neuere Auslaͤnder; deren Genie bewaͤhrt,
„und deren Sprache mit der unſrigen ver-
„wandt iſt: was wuͤrden wir nicht unſern
„Ueberſezzern zu verdanken haben?„ Dieſe
neuere Auslaͤnder ſind ohne Zweifel Franzo-
ſen und Englaͤnder, zwiſchen welchen der
Deutſche in der Mitte ſteht.

So wie die Franzoſen vormals von der
Litteratur unſrer Nation urtheilten: ſo urtheil-

ten
F 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0091" n="87"/>
&#x201E;&#x017F;on&#x017F;t das Auge nicht mehr an der Durch-<lb/>
&#x201E;for&#x017F;chung vergnu&#x0364;gt, und al&#x017F;o keine Scho&#x0364;n-<lb/>
&#x201E;heiten mehr findet.&#x201E; Ueberhaupt kleidet<lb/>
auch eine Nachdrucksvolle Schreibart die<lb/>
Deut&#x017F;chen am be&#x017F;ten. Die <hi rendition="#fr">Points;</hi> die<lb/>
Epigrammati&#x017F;che Einfa&#x0364;lle; die Wendungen,<lb/>
und der blendende Witz des <hi rendition="#fr">Seneka</hi> und<lb/><hi rendition="#fr">Plinius,</hi> &#x017F;ind mehr fu&#x0364;r die Franzo&#x017F;en; und<lb/>
ein <hi rendition="#fr">Beaumelle,</hi> der in <hi rendition="#aq">mes pen&#x017F;ées</hi> &#x017F;o<lb/>
glu&#x0364;cklich i&#x017F;t, kann auch <hi rendition="#aq">Pen&#x017F;ées de Seneque</hi><lb/>
&#x017F;chreiben.</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">11.</hi> </head><lb/>
          <p>&#x201E;<hi rendition="#in">G</hi>e&#x017F;ellen Sie nun zu die&#x017F;en Alten noch ei-<lb/>
&#x201E;nige neuere Ausla&#x0364;nder; deren Genie bewa&#x0364;hrt,<lb/>
&#x201E;und deren Sprache mit der un&#x017F;rigen ver-<lb/>
&#x201E;wandt i&#x017F;t: was wu&#x0364;rden wir nicht un&#x017F;ern<lb/>
&#x201E;Ueber&#x017F;ezzern zu verdanken haben?&#x201E; Die&#x017F;e<lb/>
neuere Ausla&#x0364;nder &#x017F;ind ohne Zweifel Franzo-<lb/>
&#x017F;en und Engla&#x0364;nder, zwi&#x017F;chen welchen der<lb/>
Deut&#x017F;che in der Mitte &#x017F;teht.</p><lb/>
          <p>So wie die Franzo&#x017F;en vormals von der<lb/>
Litteratur un&#x017F;rer Nation urtheilten: &#x017F;o urtheil-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">F 4</fw><fw place="bottom" type="catch">ten</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[87/0091] „ſonſt das Auge nicht mehr an der Durch- „forſchung vergnuͤgt, und alſo keine Schoͤn- „heiten mehr findet.„ Ueberhaupt kleidet auch eine Nachdrucksvolle Schreibart die Deutſchen am beſten. Die Points; die Epigrammatiſche Einfaͤlle; die Wendungen, und der blendende Witz des Seneka und Plinius, ſind mehr fuͤr die Franzoſen; und ein Beaumelle, der in mes penſées ſo gluͤcklich iſt, kann auch Penſées de Seneque ſchreiben. 11. „Geſellen Sie nun zu dieſen Alten noch ei- „nige neuere Auslaͤnder; deren Genie bewaͤhrt, „und deren Sprache mit der unſrigen ver- „wandt iſt: was wuͤrden wir nicht unſern „Ueberſezzern zu verdanken haben?„ Dieſe neuere Auslaͤnder ſind ohne Zweifel Franzo- ſen und Englaͤnder, zwiſchen welchen der Deutſche in der Mitte ſteht. So wie die Franzoſen vormals von der Litteratur unſrer Nation urtheilten: ſo urtheil- ten F 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_litteratur01_1767
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_litteratur01_1767/91
Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 1. Riga, 1767, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_litteratur01_1767/91>, abgerufen am 23.11.2024.