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Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 1. Riga, 1767.

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ten sie auch von unsrer Sprache; ich darf
die unwissende Urtheile des Mauvillon und
so vieler andern nicht wiederholen; sie lassen
uns jetzt mehr Gerechtigkeit wiederfahren,
seitdem das Journal etranger unserm Stil,
Premontval und andere sogar unserer Spra-
che haben Gerechtigkeit wiederfahren lassen.
Dem ohngeachtet aber macht die wirklich zu
große Verschiedenheit der Nationen, ihrer
Denk - und Schreibart, ihrer Sitten und
Sprache bei ihnen noch immer Jrrungen,
die wir ihren mindern Känntnissen zuzuschrei-
ben haben.

"Deutsches Ohr, Deutsche Härte,
"Deutsche Rauhigkeit! heißt es noch immer!
"Unsere Sprache soll etwas barbarisches
"an sich haben: so wohl wegen der vielen
"Consonanten, mit denen sie überhäuft ist,
"als wegen der sonderbaren (bisarren) Con-
"struktion ihrer Redensarten, die dem Schrift-
"steller keines Weges mehr Freiheit, oder
"mehr Hülfsmittel gibt, sondern nur ohne
"Noth die Metaphysische Ordnung der Wor-
"te störet." Wir wollen diese Stelle etwas
beherzigen.

Un-

ten ſie auch von unſrer Sprache; ich darf
die unwiſſende Urtheile des Mauvillon und
ſo vieler andern nicht wiederholen; ſie laſſen
uns jetzt mehr Gerechtigkeit wiederfahren,
ſeitdem das Journal étranger unſerm Stil,
Premontval und andere ſogar unſerer Spra-
che haben Gerechtigkeit wiederfahren laſſen.
Dem ohngeachtet aber macht die wirklich zu
große Verſchiedenheit der Nationen, ihrer
Denk - und Schreibart, ihrer Sitten und
Sprache bei ihnen noch immer Jrrungen,
die wir ihren mindern Kaͤnntniſſen zuzuſchrei-
ben haben.

Deutſches Ohr, Deutſche Haͤrte,
„Deutſche Rauhigkeit! heißt es noch immer!
„Unſere Sprache ſoll etwas barbariſches
„an ſich haben: ſo wohl wegen der vielen
„Conſonanten, mit denen ſie uͤberhaͤuft iſt,
„als wegen der ſonderbaren (biſarren) Con-
„ſtruktion ihrer Redensarten, die dem Schrift-
„ſteller keines Weges mehr Freiheit, oder
„mehr Huͤlfsmittel gibt, ſondern nur ohne
„Noth die Metaphyſiſche Ordnung der Wor-
„te ſtoͤret.„ Wir wollen dieſe Stelle etwas
beherzigen.

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[88/0092] ten ſie auch von unſrer Sprache; ich darf die unwiſſende Urtheile des Mauvillon und ſo vieler andern nicht wiederholen; ſie laſſen uns jetzt mehr Gerechtigkeit wiederfahren, ſeitdem das Journal étranger unſerm Stil, Premontval und andere ſogar unſerer Spra- che haben Gerechtigkeit wiederfahren laſſen. Dem ohngeachtet aber macht die wirklich zu große Verſchiedenheit der Nationen, ihrer Denk - und Schreibart, ihrer Sitten und Sprache bei ihnen noch immer Jrrungen, die wir ihren mindern Kaͤnntniſſen zuzuſchrei- ben haben. „Deutſches Ohr, Deutſche Haͤrte, „Deutſche Rauhigkeit! heißt es noch immer! „Unſere Sprache ſoll etwas barbariſches „an ſich haben: ſo wohl wegen der vielen „Conſonanten, mit denen ſie uͤberhaͤuft iſt, „als wegen der ſonderbaren (biſarren) Con- „ſtruktion ihrer Redensarten, die dem Schrift- „ſteller keines Weges mehr Freiheit, oder „mehr Huͤlfsmittel gibt, ſondern nur ohne „Noth die Metaphyſiſche Ordnung der Wor- „te ſtoͤret.„ Wir wollen dieſe Stelle etwas beherzigen. Un-

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 1. Riga, 1767, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_litteratur01_1767/92>, abgerufen am 23.11.2024.