Bacchus ermuntert sich aus seiner Schlaf- trunkenheit: reibt sich die Augen, will nicht ins Feuer: endlich sehen wir ihn im Löwen- panzer, (den er vermuthlich lange gesucht ha- ben muß) -- aber dem schläfrigen Helden zum Glück redet Zevs Gewitter, und Evan erscheint nicht eher, bis die Feinde weg sind! -- So unnüz ist er durchgängig: da- her frägt die Mönade auch so wenig nach ihm, es sey denn, wenn er einmal Friedrich begegnet, und ausruft: das ist er, das ist er! daher gibt sie ihm auch den Abschied:
Fahr hin, fahre hin, du Löwenbezwinger, Fahr hin, ich folge nicht mehr!
Nichts schlägt mehr fehl, als wenn man die Bilderreihe, die Folge von Auftritten verfolgt, die innerlich die Begeisterung und äußerlich das Auge leiten, die das voll- kommene Dichterische Ganze bilden, was ein Gemälde weit übertrift, was vom Tonkünstler Melodie borgt, um sich zu be- leben, was vom hohen Mimischen Tänzer gleichsam Bewegung annimmt: kurz, was Handlung heißt, das wahre Kennzeichen des Bacchischen Propheten!
Jch
Bacchus ermuntert ſich aus ſeiner Schlaf- trunkenheit: reibt ſich die Augen, will nicht ins Feuer: endlich ſehen wir ihn im Loͤwen- panzer, (den er vermuthlich lange geſucht ha- ben muß) — aber dem ſchlaͤfrigen Helden zum Gluͤck redet Zevs Gewitter, und Evan erſcheint nicht eher, bis die Feinde weg ſind! — So unnuͤz iſt er durchgaͤngig: da- her fraͤgt die Moͤnade auch ſo wenig nach ihm, es ſey denn, wenn er einmal Friedrich begegnet, und ausruft: das iſt er, das iſt er! daher gibt ſie ihm auch den Abſchied:
Fahr hin, fahre hin, du Loͤwenbezwinger, Fahr hin, ich folge nicht mehr!
Nichts ſchlaͤgt mehr fehl, als wenn man die Bilderreihe, die Folge von Auftritten verfolgt, die innerlich die Begeiſterung und aͤußerlich das Auge leiten, die das voll- kommene Dichteriſche Ganze bilden, was ein Gemaͤlde weit uͤbertrift, was vom Tonkuͤnſtler Melodie borgt, um ſich zu be- leben, was vom hohen Mimiſchen Taͤnzer gleichſam Bewegung annimmt: kurz, was Handlung heißt, das wahre Kennzeichen des Bacchiſchen Propheten!
Jch
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Bacchus ermuntert ſich aus ſeiner Schlaf-
trunkenheit: reibt ſich die Augen, will nicht
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panzer, (den er vermuthlich lange geſucht ha-
ben muß) — aber dem ſchlaͤfrigen Helden
zum Gluͤck redet Zevs Gewitter, und Evan
erſcheint nicht eher, bis die Feinde weg
ſind! — So unnuͤz iſt er durchgaͤngig: da-
her fraͤgt die Moͤnade auch ſo wenig nach
ihm, es ſey denn, wenn er einmal Friedrich
begegnet, und ausruft: das iſt er, das iſt er!
daher gibt ſie ihm auch den Abſchied:
Fahr hin, fahre hin, du Loͤwenbezwinger,
Fahr hin, ich folge nicht mehr!
Nichts ſchlaͤgt mehr fehl, als wenn man
die Bilderreihe, die Folge von Auftritten
verfolgt, die innerlich die Begeiſterung und
aͤußerlich das Auge leiten, die das voll-
kommene Dichteriſche Ganze bilden, was
ein Gemaͤlde weit uͤbertrift, was vom
Tonkuͤnſtler Melodie borgt, um ſich zu be-
leben, was vom hohen Mimiſchen Taͤnzer
gleichſam Bewegung annimmt: kurz, was
Handlung heißt, das wahre Kennzeichen
des Bacchiſchen Propheten!
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Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 2. Riga, 1767, S. 324. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_litteratur02_1767/156>, abgerufen am 16.02.2025.
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