und Gleims Möpschen, Gleims Maler und Anakreons Maler, Anakreons Chrysos und Gleims Sünde u. s. w. bei nachgebil- deten Stücken fällt der Geist beider Künst- ler in seinem Unterscheide am ersten in die Augen. Der Alte kennet sich gleichsam min- der; der Neuere läßt uns sein Schones durch Vorbereitungen und Folgerungen empfinden, und schließt oft ein Lied voll Griechischer Ein- falt, mit einem Franzosischwizzigen Ein- fall, der ein Opfer für unsern wizzigen Ge- schmack ist.
Beide Dichter sind Söhne der Grazie, und Gleims Bild steht nicht ohne Bedeu- tung vor der Winkelmannschen Abhandlung über die Grazie; allein der Grieche malet uns doch mehr eigentlichen Reiz; dieser öfter Schönheit: jener zeigt den Reiz in Hand- lung, und die Empfindung in Wirkung; dieser aber alles mehr in Worten, und Be- schreibung. Daher rührt bei dem Deutschen der Reichthum an Worten und Wendungen, die die Oberfläche verschönern; das Erläu- ternde, das dem Leser gleichsam helfen will, darüber oft die Kürze verliert, und aus dem
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und Gleims Moͤpschen, Gleims Maler und Anakreons Maler, Anakreons Chryſos und Gleims Suͤnde u. ſ. w. bei nachgebil- deten Stuͤcken faͤllt der Geiſt beider Kuͤnſt- ler in ſeinem Unterſcheide am erſten in die Augen. Der Alte kennet ſich gleichſam min- der; der Neuere laͤßt uns ſein Scho̊nes durch Vorbereitungen und Folgerungen empfinden, und ſchließt oft ein Lied voll Griechiſcher Ein- falt, mit einem Franzo̊ſiſchwizzigen Ein- fall, der ein Opfer fuͤr unſern wizzigen Ge- ſchmack iſt.
Beide Dichter ſind Soͤhne der Grazie, und Gleims Bild ſteht nicht ohne Bedeu- tung vor der Winkelmannſchen Abhandlung uͤber die Grazie; allein der Grieche malet uns doch mehr eigentlichen Reiz; dieſer oͤfter Schoͤnheit: jener zeigt den Reiz in Hand- lung, und die Empfindung in Wirkung; dieſer aber alles mehr in Worten, und Be- ſchreibung. Daher ruͤhrt bei dem Deutſchen der Reichthum an Worten und Wendungen, die die Oberflaͤche verſchoͤnern; das Erlaͤu- ternde, das dem Leſer gleichſam helfen will, daruͤber oft die Kuͤrze verliert, und aus dem
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und Gleims Moͤpschen, Gleims Maler
und Anakreons Maler, Anakreons Chryſos
und Gleims Suͤnde u. ſ. w. bei nachgebil-
deten Stuͤcken faͤllt der Geiſt beider Kuͤnſt-
ler in ſeinem Unterſcheide am erſten in die
Augen. Der Alte kennet ſich gleichſam min-
der; der Neuere laͤßt uns ſein Scho̊nes durch
Vorbereitungen und Folgerungen empfinden,
und ſchließt oft ein Lied voll Griechiſcher Ein-
falt, mit einem Franzo̊ſiſchwizzigen Ein-
fall, der ein Opfer fuͤr unſern wizzigen Ge-
ſchmack iſt.
Beide Dichter ſind Soͤhne der Grazie,
und Gleims Bild ſteht nicht ohne Bedeu-
tung vor der Winkelmannſchen Abhandlung
uͤber die Grazie; allein der Grieche malet
uns doch mehr eigentlichen Reiz; dieſer oͤfter
Schoͤnheit: jener zeigt den Reiz in Hand-
lung, und die Empfindung in Wirkung;
dieſer aber alles mehr in Worten, und Be-
ſchreibung. Daher ruͤhrt bei dem Deutſchen
der Reichthum an Worten und Wendungen,
die die Oberflaͤche verſchoͤnern; das Erlaͤu-
ternde, das dem Leſer gleichſam helfen will,
daruͤber oft die Kuͤrze verliert, und aus dem
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Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 2. Riga, 1767, S. 341. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_litteratur02_1767/173>, abgerufen am 16.02.2025.
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