Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 2. Riga, 1767.Das Jdeal des Schäfergedichts ist: wenn Aus dieser Bemerkung, die ich anderswo Theokrit schildert durchgängig Leiden- nahe
Das Jdeal des Schaͤfergedichts iſt: wenn Aus dieſer Bemerkung, die ich anderswo Theokrit ſchildert durchgaͤngig Leiden- nahe
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Das Jdeal des Schaͤfergedichts iſt: wenn
man Empfindungen und Leidenſchaften
der Menſchen in kleinen Geſellſchaften
ſo ſinnlich zeigt, daß wir auf den Augen-
blick mit ihnen Schaͤfer werden, und ſo
weit verſchoͤnert zeigt, daß wir es den Au-
genblick werden wollen; kurz bis zur Jl-
luſion und zum hoͤchſten Wohlgefallen
erhebt ſich der Zweck der Jdylle, nicht aber
bis zum Ausdruck der Vollkommenheit,
oder zur Moraliſchen Beſſerung.
Aus dieſer Bemerkung, die ich anderswo
beweiſen will, folgt vieles zu meiner Paral-
lele: je naͤher ich der Natur bleiben kann,
um doch dieſe Jlluſion und dies Wohlgefallen
zu erreichen; je ſchoͤner iſt meine Jdylle: Je
mehr ich mich uͤber ſie erheben muß, deſto
Moraliſcher, deſto feiner, deſto artiger kann
ſie werden, aber deſto mehr verliert ſie an
Poetiſcher Jdyllenſchoͤnheit. Dies iſt der
Unterſchied zwiſchen Theokrits und Geß-
ners Charakter.
Theokrit ſchildert durchgaͤngig Leiden-
ſchaft; Geßner, um nicht ſeinem Jdeal zu
nahe
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