Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 2. Riga, 1767.

Bild:
<< vorherige Seite

Wenigstens sticht sie doch immer in den Litte-
raturbriefen vom Magisterton Akademischer
Zeitungen * ab, und es läßt dem Kunstrichter
so ansehnlich, wenn er uns daran erinnert,
als wenn die alten Könige bei Scepter und
Bart schwuren. -- Allein wenn die Kri-
tik, Wieland den Menschen ** beurtheilt,
ich meine nicht, Wieland den Schriftstel-
ler,
(so wie man diesem Manne in mehrern
Journälen in Absicht der Metamorphose sei-
ner Denkart zu nahe getreten ist:) wenn sie
einige Schriftsteller nicht blos zu Boden
wirft, sondern auch wie Achilles den Hektor
im Staube schleifet, wie vielleicht Dusch,
Pauli, Lindner, Trescho
und der Verfas-
ser der Lyrischen und Epischen Gedichte sich
beklagen könnten: so muß man beinahe an
das Wort Deutsch, oder an die Titelvignette
denken -- wie sehr wird aber ein Schul-
meister nicht betreten, wenn sein Homer sich
manchmal vergißt und schnarcht!

Frei-
* Th. 6. p. 241.
** Th. 1. p. 35.
O

Wenigſtens ſticht ſie doch immer in den Litte-
raturbriefen vom Magiſterton Akademiſcher
Zeitungen * ab, und es laͤßt dem Kunſtrichter
ſo anſehnlich, wenn er uns daran erinnert,
als wenn die alten Koͤnige bei Scepter und
Bart ſchwuren. — Allein wenn die Kri-
tik, Wieland den Menſchen ** beurtheilt,
ich meine nicht, Wieland den Schriftſtel-
ler,
(ſo wie man dieſem Manne in mehrern
Journaͤlen in Abſicht der Metamorphoſe ſei-
ner Denkart zu nahe getreten iſt:) wenn ſie
einige Schriftſteller nicht blos zu Boden
wirft, ſondern auch wie Achilles den Hektor
im Staube ſchleifet, wie vielleicht Duſch,
Pauli, Lindner, Treſcho
und der Verfaſ-
ſer der Lyriſchen und Epiſchen Gedichte ſich
beklagen koͤnnten: ſo muß man beinahe an
das Wort Deutſch, oder an die Titelvignette
denken — wie ſehr wird aber ein Schul-
meiſter nicht betreten, wenn ſein Homer ſich
manchmal vergißt und ſchnarcht!

Frei-
* Th. 6. p. 241.
** Th. 1. p. 35.
O
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0029" n="197"/>
Wenig&#x017F;tens &#x017F;ticht &#x017F;ie doch immer in den Litte-<lb/>
raturbriefen vom Magi&#x017F;terton Akademi&#x017F;cher<lb/>
Zeitungen <note place="foot" n="*">Th. 6. p. 241.</note> ab, und es la&#x0364;ßt dem Kun&#x017F;trichter<lb/>
&#x017F;o an&#x017F;ehnlich, wenn er uns daran erinnert,<lb/>
als wenn die alten Ko&#x0364;nige bei Scepter und<lb/>
Bart &#x017F;chwuren. &#x2014; Allein wenn die Kri-<lb/>
tik, <hi rendition="#fr">Wieland</hi> den <hi rendition="#fr">Men&#x017F;chen</hi> <note place="foot" n="**">Th. 1. p. 35.</note> beurtheilt,<lb/>
ich meine nicht, <hi rendition="#fr">Wieland</hi> den <hi rendition="#fr">Schrift&#x017F;tel-<lb/>
ler,</hi> (&#x017F;o wie man die&#x017F;em Manne in mehrern<lb/>
Journa&#x0364;len in Ab&#x017F;icht der Metamorpho&#x017F;e &#x017F;ei-<lb/>
ner Denkart zu nahe getreten i&#x017F;t:) wenn &#x017F;ie<lb/>
einige Schrift&#x017F;teller nicht blos zu Boden<lb/>
wirft, &#x017F;ondern auch wie <hi rendition="#fr">Achilles</hi> den <hi rendition="#fr">Hektor</hi><lb/>
im Staube &#x017F;chleifet, wie vielleicht <hi rendition="#fr">Du&#x017F;ch,<lb/>
Pauli, Lindner, Tre&#x017F;cho</hi> und der Verfa&#x017F;-<lb/>
&#x017F;er der Lyri&#x017F;chen und Epi&#x017F;chen Gedichte &#x017F;ich<lb/>
beklagen ko&#x0364;nnten: &#x017F;o muß man beinahe an<lb/>
das Wort <hi rendition="#fr">Deut&#x017F;ch,</hi> oder an die Titelvignette<lb/>
denken &#x2014; wie &#x017F;ehr wird aber ein Schul-<lb/>
mei&#x017F;ter nicht betreten, wenn &#x017F;ein Homer &#x017F;ich<lb/>
manchmal vergißt und &#x017F;chnarcht!</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Frei-</fw><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig">O</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[197/0029] Wenigſtens ſticht ſie doch immer in den Litte- raturbriefen vom Magiſterton Akademiſcher Zeitungen * ab, und es laͤßt dem Kunſtrichter ſo anſehnlich, wenn er uns daran erinnert, als wenn die alten Koͤnige bei Scepter und Bart ſchwuren. — Allein wenn die Kri- tik, Wieland den Menſchen ** beurtheilt, ich meine nicht, Wieland den Schriftſtel- ler, (ſo wie man dieſem Manne in mehrern Journaͤlen in Abſicht der Metamorphoſe ſei- ner Denkart zu nahe getreten iſt:) wenn ſie einige Schriftſteller nicht blos zu Boden wirft, ſondern auch wie Achilles den Hektor im Staube ſchleifet, wie vielleicht Duſch, Pauli, Lindner, Treſcho und der Verfaſ- ſer der Lyriſchen und Epiſchen Gedichte ſich beklagen koͤnnten: ſo muß man beinahe an das Wort Deutſch, oder an die Titelvignette denken — wie ſehr wird aber ein Schul- meiſter nicht betreten, wenn ſein Homer ſich manchmal vergißt und ſchnarcht! Frei- * Th. 6. p. 241. ** Th. 1. p. 35. O

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_litteratur02_1767
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_litteratur02_1767/29
Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 2. Riga, 1767, S. 197. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_litteratur02_1767/29>, abgerufen am 23.11.2024.