gen, und bis zur Jllusion beschäftigen soll: so erlaubt sie die Mythologie als eine Quelle sehr lebhafter Bilder anzusehen, aus der ich welche herausheben kann, um meinen Gedanken gleichsam in sie zu klei- den, daß er sinnlich anschauend erscheine, die Aufmerksamkeit bis zur Täuscherei beschäfti- ge, und durch die Jllusion reizze. Man siehet, daß ich die Mythologie als Werkzeug, und nicht als Zweck empfehle, um pindarisch und horazisch zu seyn. Hat die horazische und pindarische Ode nicht höhere Zwecke, höhere Verdienste, und Vollkommenheiten, als My- thologie: so kann ja ein Feind der letztern sagen: wohlan! könnt ihr nicht horazisch und pindarisch singen, ohne Mythologie; so laßt auch jenes meinetwegen nach, lernt von die- sen guten Alten in andern Stücken, oder gar nicht: und laßt den Vogel singen, nach dem deutschen Sprüchwort, wie ihm der Schna- bel gewachsen ist. --
Es ist bei der Ode auch ferner nur immer ein Nebenzweck, oder vielmehr blos ein Mit- tel zu Zwecken, woraus einige neuere Kunst- richter so viel machen, eine Anordnung und
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gen, und bis zur Jlluſion beſchaͤftigen ſoll: ſo erlaubt ſie die Mythologie als eine Quelle ſehr lebhafter Bilder anzuſehen, aus der ich welche herausheben kann, um meinen Gedanken gleichſam in ſie zu klei- den, daß er ſinnlich anſchauend erſcheine, die Aufmerkſamkeit bis zur Taͤuſcherei beſchaͤfti- ge, und durch die Jlluſion reizze. Man ſiehet, daß ich die Mythologie als Werkzeug, und nicht als Zweck empfehle, um pindariſch und horaziſch zu ſeyn. Hat die horaziſche und pindariſche Ode nicht hoͤhere Zwecke, hoͤhere Verdienſte, und Vollkommenheiten, als My- thologie: ſo kann ja ein Feind der letztern ſagen: wohlan! koͤnnt ihr nicht horaziſch und pindariſch ſingen, ohne Mythologie; ſo laßt auch jenes meinetwegen nach, lernt von die- ſen guten Alten in andern Stuͤcken, oder gar nicht: und laßt den Vogel ſingen, nach dem deutſchen Spruͤchwort, wie ihm der Schna- bel gewachſen iſt. —
Es iſt bei der Ode auch ferner nur immer ein Nebenzweck, oder vielmehr blos ein Mit- tel zu Zwecken, woraus einige neuere Kunſt- richter ſo viel machen, eine Anordnung und
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gen, und bis zur Jlluſion beſchaͤftigen
ſoll: ſo erlaubt ſie die Mythologie als eine
Quelle ſehr lebhafter Bilder anzuſehen,
aus der ich welche herausheben kann, um
meinen Gedanken gleichſam in ſie zu klei-
den, daß er ſinnlich anſchauend erſcheine, die
Aufmerkſamkeit bis zur Taͤuſcherei beſchaͤfti-
ge, und durch die Jlluſion reizze. Man ſiehet,
daß ich die Mythologie als Werkzeug, und
nicht als Zweck empfehle, um pindariſch und
horaziſch zu ſeyn. Hat die horaziſche und
pindariſche Ode nicht hoͤhere Zwecke, hoͤhere
Verdienſte, und Vollkommenheiten, als My-
thologie: ſo kann ja ein Feind der letztern
ſagen: wohlan! koͤnnt ihr nicht horaziſch und
pindariſch ſingen, ohne Mythologie; ſo laßt
auch jenes meinetwegen nach, lernt von die-
ſen guten Alten in andern Stuͤcken, oder gar
nicht: und laßt den Vogel ſingen, nach dem
deutſchen Spruͤchwort, wie ihm der Schna-
bel gewachſen iſt. —
Es iſt bei der Ode auch ferner nur immer
ein Nebenzweck, oder vielmehr blos ein Mit-
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Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 3. Riga, 1767, S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_litteratur03_1767/151>, abgerufen am 24.11.2024.
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