vielleicht weniger ein Ausdruck zu vermuthen, quem incuria fudit; als in den Littera- turbriefen.
Bielleicht möchte in der Ode an die Feinde des Königs die herkulische Beschrei- bung eben die Note verdienen, die ich bei der Hölle gemacht, daß ihre Bilder zu bekannt, zu antik, und etwas zu unedel seyn möchten.
Abstrahirt von diesem horazischen: ist Rammler ein vollkommenes Muster der Ode: jedes Wort abgewogen, abgemessen, abgezählt: jede Construktion gewählt, geordnet, gewaff- net: jede Freiheit nicht blos Licenz, sondern Muster: seine undeutsche Redarten bereichern die Sprache: seine fremden Worte verdienen das Bürgerrecht: der Zwang in seiner Perio- de ist von der Gewalt und dem hinreißenden Sttom der Ode verursacht: eiu Werk des Vorsazzes und Fleißes, nicht der Noth und des Unvermögens: sein Mangel an der Cä- sur bisweilen, und sein schwerer Reim durch ein Beiwort sind Boten des lebendigen Lauts, um Nachdruck anzukündigen. Alle Borwürfe, die man seinen Oden von dieser Seite macht, sind kurzsichtig, und eigensinnig.
Zum
Fragm.IIIS. N
vielleicht weniger ein Ausdruck zu vermuthen, quem incuria fudit; als in den Littera- turbriefen.
Bielleicht moͤchte in der Ode an die Feinde des Koͤnigs die herkuliſche Beſchrei- bung eben die Note verdienen, die ich bei der Hoͤlle gemacht, daß ihre Bilder zu bekannt, zu antik, und etwas zu unedel ſeyn moͤchten.
Abſtrahirt von dieſem horaziſchen: iſt Rammler ein vollkommenes Muſter der Ode: jedes Wort abgewogen, abgemeſſen, abgezaͤhlt: jede Conſtruktion gewaͤhlt, geordnet, gewaff- net: jede Freiheit nicht blos Licenz, ſondern Muſter: ſeine undeutſche Redarten bereichern die Sprache: ſeine fremden Worte verdienen das Buͤrgerrecht: der Zwang in ſeiner Perio- de iſt von der Gewalt und dem hinreißenden Sttom der Ode verurſacht: eiu Werk des Vorſazzes und Fleißes, nicht der Noth und des Unvermoͤgens: ſein Mangel an der Caͤ- ſur bisweilen, und ſein ſchwerer Reim durch ein Beiwort ſind Boten des lebendigen Lauts, um Nachdruck anzukuͤndigen. Alle Borwuͤrfe, die man ſeinen Oden von dieſer Seite macht, ſind kurzſichtig, und eigenſinnig.
Zum
Fragm.IIIS. N
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vielleicht weniger ein Ausdruck zu vermuthen,
quem incuria fudit; als in den Littera-
turbriefen.
Bielleicht moͤchte in der Ode an die
Feinde des Koͤnigs die herkuliſche Beſchrei-
bung eben die Note verdienen, die ich bei der
Hoͤlle gemacht, daß ihre Bilder zu bekannt,
zu antik, und etwas zu unedel ſeyn moͤchten.
Abſtrahirt von dieſem horaziſchen: iſt
Rammler ein vollkommenes Muſter der Ode:
jedes Wort abgewogen, abgemeſſen, abgezaͤhlt:
jede Conſtruktion gewaͤhlt, geordnet, gewaff-
net: jede Freiheit nicht blos Licenz, ſondern
Muſter: ſeine undeutſche Redarten bereichern
die Sprache: ſeine fremden Worte verdienen
das Buͤrgerrecht: der Zwang in ſeiner Perio-
de iſt von der Gewalt und dem hinreißenden
Sttom der Ode verurſacht: eiu Werk des
Vorſazzes und Fleißes, nicht der Noth und
des Unvermoͤgens: ſein Mangel an der Caͤ-
ſur bisweilen, und ſein ſchwerer Reim durch
ein Beiwort ſind Boten des lebendigen Lauts,
um Nachdruck anzukuͤndigen. Alle Borwuͤrfe,
die man ſeinen Oden von dieſer Seite macht,
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Fragm. III S. N
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Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 3. Riga, 1767, S. 193. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_litteratur03_1767/201>, abgerufen am 24.11.2024.
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