Sollte dieser Plan mit dem seinigen über- einstimmen: so würde er durch die Ausfüh- rung Creditio gnug gezeigt haben, daß er auch folgende Zugabe zu seinem Werke thun könn- te: daß er die zerstreuten Oden der Deut- schen sammlete, sich über alle fließende Rei- me im lyrischen Sylbenmaaß erhübe, und blos den Geist der antiquen Ode zum Rath- geber seiner Wahlmachte: ein mäßiges Bänd- chen, das aber alsdenn die fliegenden Stücke dieser Dichtart der Zeit rauben könnte. Wenn Rammler es für gut geachtet, die Lieder der Deutschen zu sammlen: so wären "ernst- hafte und erhabne Gesänge unsrer lyri- schen Poeten, die sich besser deklamiren, als singen lassen: die wenigen Oden der Deut- schen, die sich durch Anlage und Schwung und Wohlklang empfehlen," * dieser Samm- lung eben so würdig; ja vielleicht noch wür- diger, weil meistens ein Jndividualfall der Zeit sie gebiert, sie auf seinem Flügel umher- wirft, und sehr leicht verfliegen macht. Man müßte Stücke wählen, die keine Ausbesserung
nöthig
* s. Vorrede zu den Liedern der Deutschen bei Winter, Berl. 1766.
Sollte dieſer Plan mit dem ſeinigen uͤber- einſtimmen: ſo wuͤrde er durch die Ausfuͤh- rung Creditio gnug gezeigt haben, daß er auch folgende Zugabe zu ſeinem Werke thun koͤnn- te: daß er die zerſtreuten Oden der Deut- ſchen ſammlete, ſich uͤber alle fließende Rei- me im lyriſchen Sylbenmaaß erhuͤbe, und blos den Geiſt der antiquen Ode zum Rath- geber ſeiner Wahlmachte: ein maͤßiges Baͤnd- chen, das aber alsdenn die fliegenden Stuͤcke dieſer Dichtart der Zeit rauben koͤnnte. Wenn Rammler es fuͤr gut geachtet, die Lieder der Deutſchen zu ſammlen: ſo waͤren „ernſt- hafte und erhabne Geſaͤnge unſrer lyri- ſchen Poeten, die ſich beſſer deklamiren, als ſingen laſſen: die wenigen Oden der Deut- ſchen, die ſich durch Anlage und Schwung und Wohlklang empfehlen,„ * dieſer Samm- lung eben ſo wuͤrdig; ja vielleicht noch wuͤr- diger, weil meiſtens ein Jndividualfall der Zeit ſie gebiert, ſie auf ſeinem Fluͤgel umher- wirft, und ſehr leicht verfliegen macht. Man muͤßte Stuͤcke waͤhlen, die keine Ausbeſſerung
noͤthig
* ſ. Vorrede zu den Liedern der Deutſchen bei Winter, Berl. 1766.
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Sollte dieſer Plan mit dem ſeinigen uͤber-
einſtimmen: ſo wuͤrde er durch die Ausfuͤh-
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folgende Zugabe zu ſeinem Werke thun koͤnn-
te: daß er die zerſtreuten Oden der Deut-
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blos den Geiſt der antiquen Ode zum Rath-
geber ſeiner Wahlmachte: ein maͤßiges Baͤnd-
chen, das aber alsdenn die fliegenden Stuͤcke
dieſer Dichtart der Zeit rauben koͤnnte. Wenn
Rammler es fuͤr gut geachtet, die Lieder der
Deutſchen zu ſammlen: ſo waͤren „ernſt-
hafte und erhabne Geſaͤnge unſrer lyri-
ſchen Poeten, die ſich beſſer deklamiren, als
ſingen laſſen: die wenigen Oden der Deut-
ſchen, die ſich durch Anlage und Schwung
und Wohlklang empfehlen,„ * dieſer Samm-
lung eben ſo wuͤrdig; ja vielleicht noch wuͤr-
diger, weil meiſtens ein Jndividualfall der
Zeit ſie gebiert, ſie auf ſeinem Fluͤgel umher-
wirft, und ſehr leicht verfliegen macht. Man
muͤßte Stuͤcke waͤhlen, die keine Ausbeſſerung
noͤthig
* ſ. Vorrede zu den Liedern der Deutſchen
bei Winter, Berl. 1766.
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Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 3. Riga, 1767, S. 200. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_litteratur03_1767/208>, abgerufen am 16.02.2025.
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