Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 3. Riga, 1767.hergesuchte in der Elegie unnatürlich. Hin- trösten, * Jch kann hierinn die Elegie nicht besser als mit einem Traume vergleichen: diese Verglei- chung sagt vielleicht viel. Die ganze Bilder- reihe, die vor ihrem Auge vorbeistreichet, ist in einen heiligen Schleyer halb verhüllt, der das dunkle Gewand der Traumgesichte zu seyn pflegt: sie ist an sich verbunden, so wie die Folgen der nächtlichen Gedanken, nur das Band ist nicht so regelmäßig und sichtbar, als im Wachen: dazu kömmt, daß in der Elegie, so wie im Traume, Einbildungskraft und Ge- genwart zusammengemischt wird, und hieher gehört jetzt die vorige Einschaltung mit, wie viel Macht, Zeit, Ort und Umstände in die Elegie sich eindrängen, nicht blos Gedanken nähren, sondern auch erzeugen, die sich als- denn unter die andren hinstellen, anschließen, und gleichsam elegisch werden. Q 4
hergeſuchte in der Elegie unnatuͤrlich. Hin- troͤſten, * Jch kann hierinn die Elegie nicht beſſer als mit einem Traume vergleichen: dieſe Verglei- chung ſagt vielleicht viel. Die ganze Bilder- reihe, die vor ihrem Auge vorbeiſtreichet, iſt in einen heiligen Schleyer halb verhuͤllt, der das dunkle Gewand der Traumgeſichte zu ſeyn pflegt: ſie iſt an ſich verbunden, ſo wie die Folgen der naͤchtlichen Gedanken, nur das Band iſt nicht ſo regelmaͤßig und ſichtbar, als im Wachen: dazu koͤmmt, daß in der Elegie, ſo wie im Traume, Einbildungskraft und Ge- genwart zuſammengemiſcht wird, und hieher gehoͤrt jetzt die vorige Einſchaltung mit, wie viel Macht, Zeit, Ort und Umſtaͤnde in die Elegie ſich eindraͤngen, nicht blos Gedanken naͤhren, ſondern auch erzeugen, die ſich als- denn unter die andren hinſtellen, anſchließen, und gleichſam elegiſch werden. Q 4
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hergeſuchte in der Elegie unnatuͤrlich. Hin-
gegen finden Vergleichungen, kleine Geſchichte,
Fabeln darinn ihren Platz. Denn die Ein-
bildungskraft iſt bei einem ſolchen Zuſtande
der Seele faſt allein beſchaͤftiget *. Sie
ſucht alſo alle vergeſellſchaftete Bilder auf,
die mit ihrer herrſchenden Empfindung uͤber-
einſtimmen, um entweder ſich dadurch zu
troͤſten,
* Jch kann hierinn die Elegie nicht beſſer als mit
einem Traume vergleichen: dieſe Verglei-
chung ſagt vielleicht viel. Die ganze Bilder-
reihe, die vor ihrem Auge vorbeiſtreichet, iſt
in einen heiligen Schleyer halb verhuͤllt, der
das dunkle Gewand der Traumgeſichte zu ſeyn
pflegt: ſie iſt an ſich verbunden, ſo wie die
Folgen der naͤchtlichen Gedanken, nur das
Band iſt nicht ſo regelmaͤßig und ſichtbar, als
im Wachen: dazu koͤmmt, daß in der Elegie,
ſo wie im Traume, Einbildungskraft und Ge-
genwart zuſammengemiſcht wird, und hieher
gehoͤrt jetzt die vorige Einſchaltung mit, wie
viel Macht, Zeit, Ort und Umſtaͤnde in die
Elegie ſich eindraͤngen, nicht blos Gedanken
naͤhren, ſondern auch erzeugen, die ſich als-
denn unter die andren hinſtellen, anſchließen,
und gleichſam elegiſch werden.
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