"gezwungen erreicht, läßt uns gleichsam einen "Zeitgenossen des Tullius hören, der sich über "unsre Sitten in seiner Sprache ausdrückt."
Jch unterschreibe im Ganzen das Bild, das man von Juvenal, Horaz, und unserm Klozz mahlt: ohne aber auch die Naivetät des Horaz durch Fragen affektiren zu wollen: muß ich doch folgendes fragweise dazusezzen, weil ich mir selbst nicht antworten will:
Sollte das Lächerliche der alten Komödie, mit dem Lächerlichen des Juvenals einerlei seyn? Jch meine nicht das Belachenswer- the, was beide schildern, denn da versteht es sich von selbst, daß dies mit den Sitten und Zeiten sich ganz verändert haben muß: sondern nur das Lächerliche, wie beide es schildern? Jch will nicht an den Unterschied denken, den schon die lehrende Satyre, und ein pöbelhaftes Drama fodert: sondern ich rede von dem charakterischen Ton beider, un- abhängig von der äußern Einkleidung, blos an sich gegen einander gesezt.
Sollte
„gezwungen erreicht, laͤßt uns gleichſam einen „Zeitgenoſſen des Tullius hoͤren, der ſich uͤber „unſre Sitten in ſeiner Sprache ausdruͤckt.„
Jch unterſchreibe im Ganzen das Bild, das man von Juvenal, Horaz, und unſerm Klozz mahlt: ohne aber auch die Naivetaͤt des Horaz durch Fragen affektiren zu wollen: muß ich doch folgendes fragweiſe dazuſezzen, weil ich mir ſelbſt nicht antworten will:
Sollte das Laͤcherliche der alten Komoͤdie, mit dem Laͤcherlichen des Juvenals einerlei ſeyn? Jch meine nicht das Belachenswer- the, was beide ſchildern, denn da verſteht es ſich von ſelbſt, daß dies mit den Sitten und Zeiten ſich ganz veraͤndert haben muß: ſondern nur das Laͤcherliche, wie beide es ſchildern? Jch will nicht an den Unterſchied denken, den ſchon die lehrende Satyre, und ein poͤbelhaftes Drama fodert: ſondern ich rede von dem charakteriſchen Ton beider, un- abhaͤngig von der aͤußern Einkleidung, blos an ſich gegen einander geſezt.
Sollte
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><cit><quote><p><pbfacs="#f0266"n="258"/>„gezwungen erreicht, laͤßt uns gleichſam einen<lb/>„Zeitgenoſſen des <hirendition="#fr">Tullius</hi> hoͤren, der ſich uͤber<lb/>„unſre Sitten in ſeiner Sprache ausdruͤckt.„</p></quote></cit><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><p>Jch unterſchreibe im Ganzen das Bild,<lb/>
das man von <hirendition="#fr">Juvenal, Horaz,</hi> und unſerm<lb/><hirendition="#fr">Klozz</hi> mahlt: ohne aber auch die Naivetaͤt<lb/>
des Horaz durch Fragen affektiren zu wollen:<lb/>
muß ich doch folgendes fragweiſe dazuſezzen,<lb/>
weil ich mir ſelbſt nicht antworten will:</p><lb/><p>Sollte das Laͤcherliche der alten <hirendition="#fr">Komoͤdie,</hi><lb/>
mit dem Laͤcherlichen des <hirendition="#fr">Juvenals</hi> einerlei<lb/>ſeyn? Jch meine nicht das Belachenswer-<lb/>
the, was beide ſchildern, denn da verſteht es<lb/>ſich von ſelbſt, daß dies mit den Sitten und<lb/>
Zeiten <hirendition="#fr">ſich ganz veraͤndert haben muß:</hi><lb/>ſondern nur das Laͤcherliche, wie beide es<lb/>ſchildern? Jch will nicht an den Unterſchied<lb/>
denken, den ſchon die <hirendition="#fr">lehrende Satyre,</hi> und<lb/>
ein poͤbelhaftes <hirendition="#fr">Drama</hi> fodert: ſondern ich<lb/>
rede von dem charakteriſchen Ton beider, un-<lb/>
abhaͤngig von der <hirendition="#fr">aͤußern</hi> Einkleidung, blos<lb/>
an ſich gegen einander geſezt.</p><lb/><fwplace="bottom"type="catch">Sollte</fw><lb/></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[258/0266]
„gezwungen erreicht, laͤßt uns gleichſam einen
„Zeitgenoſſen des Tullius hoͤren, der ſich uͤber
„unſre Sitten in ſeiner Sprache ausdruͤckt.„
Jch unterſchreibe im Ganzen das Bild,
das man von Juvenal, Horaz, und unſerm
Klozz mahlt: ohne aber auch die Naivetaͤt
des Horaz durch Fragen affektiren zu wollen:
muß ich doch folgendes fragweiſe dazuſezzen,
weil ich mir ſelbſt nicht antworten will:
Sollte das Laͤcherliche der alten Komoͤdie,
mit dem Laͤcherlichen des Juvenals einerlei
ſeyn? Jch meine nicht das Belachenswer-
the, was beide ſchildern, denn da verſteht es
ſich von ſelbſt, daß dies mit den Sitten und
Zeiten ſich ganz veraͤndert haben muß:
ſondern nur das Laͤcherliche, wie beide es
ſchildern? Jch will nicht an den Unterſchied
denken, den ſchon die lehrende Satyre, und
ein poͤbelhaftes Drama fodert: ſondern ich
rede von dem charakteriſchen Ton beider, un-
abhaͤngig von der aͤußern Einkleidung, blos
an ſich gegen einander geſezt.
Sollte
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 3. Riga, 1767, S. 258. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_litteratur03_1767/266>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.