"derselben nicht gefragt; die Vornehmen wer- "den nicht angeklagt und vertheidigt, sondern "fallen in Ungnade: und im Kabinette ge- "schieht der Ausspruch: es soll Krieg seyn, "weil wir es wollen, und Friede, weil wir "nicht mehr können -- und der Unterthan "hört es. Nun kommt zu Haufen, ihr De- "mosthenen und Ciceronen. Nicht wahr, "alles ist euch fremde; -- verlaßt den klei- "nen Markt, und lernt -- trockne Processe.
"Jch thue noch einen Schritt: die große "Beredsamkeit kann nirgends, als in der ge- "richtlichen Art zu reden angebracht werden. "Das Forum ist das einzige Treibhaus für "sie, und jeder andre Boden zu kalt. Wir "wollen sehen, was die gerichtliche Art für "Vortheile habe; ob diese Vortheile die große "Beredsamkeit zuwege bringen; und ob die "andern Arten eben diese Vortheile ver- "schaffen.
"Die Materien bei der gerichtlichen Art "sind immer neu; immer höchstwichtig, "selbst nach der Meinung der Zuhörer. Die "Zeit zwischen der Ueberlegung und dem Er- "folg ist kurz. Dadurch drängen sich die Gegen-
"stände
„derſelben nicht gefragt; die Vornehmen wer- „den nicht angeklagt und vertheidigt, ſondern „fallen in Ungnade: und im Kabinette ge- „ſchieht der Ausſpruch: es ſoll Krieg ſeyn, „weil wir es wollen, und Friede, weil wir „nicht mehr koͤnnen — und der Unterthan „hoͤrt es. Nun kommt zu Haufen, ihr De- „moſthenen und Ciceronen. Nicht wahr, „alles iſt euch fremde; — verlaßt den klei- „nen Markt, und lernt — trockne Proceſſe.
„Jch thue noch einen Schritt: die große „Beredſamkeit kann nirgends, als in der ge- „richtlichen Art zu reden angebracht werden. „Das Forum iſt das einzige Treibhaus fuͤr „ſie, und jeder andre Boden zu kalt. Wir „wollen ſehen, was die gerichtliche Art fuͤr „Vortheile habe; ob dieſe Vortheile die große „Beredſamkeit zuwege bringen; und ob die „andern Arten eben dieſe Vortheile ver- „ſchaffen.
„Die Materien bei der gerichtlichen Art „ſind immer neu; immer hoͤchſtwichtig, „ſelbſt nach der Meinung der Zuhoͤrer. Die „Zeit zwiſchen der Ueberlegung und dem Er- „folg iſt kurz. Dadurch draͤngen ſich die Gegen-
„ſtaͤnde
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><p><pbfacs="#f0272"n="264"/>„derſelben nicht gefragt; die Vornehmen wer-<lb/>„den nicht angeklagt und vertheidigt, ſondern<lb/>„fallen in Ungnade: und im Kabinette ge-<lb/>„ſchieht der Ausſpruch: es ſoll Krieg ſeyn,<lb/>„weil wir es wollen, und Friede, weil wir<lb/>„nicht mehr koͤnnen — und der Unterthan<lb/>„hoͤrt es. Nun kommt zu Haufen, ihr <hirendition="#fr">De-<lb/>„moſthenen</hi> und <hirendition="#fr">Ciceronen.</hi> Nicht wahr,<lb/>„alles iſt euch fremde; — verlaßt den klei-<lb/>„nen Markt, und lernt — trockne Proceſſe.</p><lb/><p>„Jch thue noch einen Schritt: die große<lb/>„Beredſamkeit kann nirgends, als in der <hirendition="#fr">ge-<lb/>„richtlichen</hi> Art zu reden angebracht werden.<lb/>„Das <hirendition="#aq">Forum</hi> iſt das einzige Treibhaus fuͤr<lb/>„ſie, und jeder andre Boden zu kalt. Wir<lb/>„wollen ſehen, was die gerichtliche Art fuͤr<lb/>„Vortheile habe; ob dieſe Vortheile die große<lb/>„Beredſamkeit zuwege bringen; und ob die<lb/>„andern Arten eben dieſe Vortheile ver-<lb/>„ſchaffen.</p><lb/><p>„Die <hirendition="#fr">Materien</hi> bei der gerichtlichen Art<lb/>„ſind immer <hirendition="#fr">neu;</hi> immer <hirendition="#fr">hoͤchſtwichtig,</hi><lb/>„ſelbſt nach der Meinung der <hirendition="#fr">Zuhoͤrer.</hi> Die<lb/>„<hirendition="#fr">Zeit</hi> zwiſchen der Ueberlegung und dem Er-<lb/>„folg iſt <hirendition="#fr">kurz.</hi> Dadurch draͤngen ſich die Gegen-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">„ſtaͤnde</fw><lb/></p></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[264/0272]
„derſelben nicht gefragt; die Vornehmen wer-
„den nicht angeklagt und vertheidigt, ſondern
„fallen in Ungnade: und im Kabinette ge-
„ſchieht der Ausſpruch: es ſoll Krieg ſeyn,
„weil wir es wollen, und Friede, weil wir
„nicht mehr koͤnnen — und der Unterthan
„hoͤrt es. Nun kommt zu Haufen, ihr De-
„moſthenen und Ciceronen. Nicht wahr,
„alles iſt euch fremde; — verlaßt den klei-
„nen Markt, und lernt — trockne Proceſſe.
„Jch thue noch einen Schritt: die große
„Beredſamkeit kann nirgends, als in der ge-
„richtlichen Art zu reden angebracht werden.
„Das Forum iſt das einzige Treibhaus fuͤr
„ſie, und jeder andre Boden zu kalt. Wir
„wollen ſehen, was die gerichtliche Art fuͤr
„Vortheile habe; ob dieſe Vortheile die große
„Beredſamkeit zuwege bringen; und ob die
„andern Arten eben dieſe Vortheile ver-
„ſchaffen.
„Die Materien bei der gerichtlichen Art
„ſind immer neu; immer hoͤchſtwichtig,
„ſelbſt nach der Meinung der Zuhoͤrer. Die
„Zeit zwiſchen der Ueberlegung und dem Er-
„folg iſt kurz. Dadurch draͤngen ſich die Gegen-
„ſtaͤnde
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 3. Riga, 1767, S. 264. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_litteratur03_1767/272>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.