der Gottschede und Hudemanns zu statten kömmt. - - Himmel, was sieht der Mann alles? Jch bin doch auch, sagte jenes naive Mädchen bei Eulenspiegels Malerei, die kein unächtes Kind sehen sollte, ich bin doch auch kein Hurenkind, und sehe nichts!
Wer hat es denn dem Kunstrichter in den Kopf gesetzt: Klopstock wolle philosophi- ren!* Klopstock philosophiren? Die beste Art zu denken, ist ja nicht die logisch beste bei ihm: das sagt er ja nirgends, und daß er sich hievon zu schreiben nicht übernimmt, zeigen seine öfters unbestimmte Ausdrücke, die ja nicht Philosophie seyn können. Und doch redet der Kunstr. vom Philosophiren be- ständig; will Neues haben, wo K. an nichts Neues denkt: protestirt wider Jrrthümer, spricht von der üblichen Sprache der Welt- weisen, und sieht überall dies Stück im Auf- seher, als ein Programm an, das im Namen eines Prof. der Metaphysik am schwarzen Brette feierlich zu einem Collegio über die
natür-
* Th. 6. p. 375. 377.
der Gottſchede und Hudemanns zu ſtatten koͤmmt. – – Himmel, was ſieht der Mann alles? Jch bin doch auch, ſagte jenes naive Maͤdchen bei Eulenſpiegels Malerei, die kein unaͤchtes Kind ſehen ſollte, ich bin doch auch kein Hurenkind, und ſehe nichts!
Wer hat es denn dem Kunſtrichter in den Kopf geſetzt: Klopſtock wolle philoſophi- ren!* Klopſtock philoſophiren? Die beſte Art zu denken, iſt ja nicht die logiſch beſte bei ihm: das ſagt er ja nirgends, und daß er ſich hievon zu ſchreiben nicht uͤbernimmt, zeigen ſeine oͤfters unbeſtimmte Ausdruͤcke, die ja nicht Philoſophie ſeyn koͤnnen. Und doch redet der Kunſtr. vom Philoſophiren be- ſtaͤndig; will Neues haben, wo K. an nichts Neues denkt: proteſtirt wider Jrrthuͤmer, ſpricht von der uͤblichen Sprache der Welt- weiſen, und ſieht uͤberall dies Stuͤck im Auf- ſeher, als ein Programm an, das im Namen eines Prof. der Metaphyſik am ſchwarzen Brette feierlich zu einem Collegio uͤber die
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* Th. 6. p. 375. 377.
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der Gottſchede und Hudemanns zu ſtatten
koͤmmt. – – Himmel, was ſieht der Mann
alles? Jch bin doch auch, ſagte jenes naive
Maͤdchen bei Eulenſpiegels Malerei, die kein
unaͤchtes Kind ſehen ſollte, ich bin doch auch
kein Hurenkind, und ſehe nichts!
Wer hat es denn dem Kunſtrichter in den
Kopf geſetzt: Klopſtock wolle philoſophi-
ren! * Klopſtock philoſophiren? Die beſte
Art zu denken, iſt ja nicht die logiſch beſte
bei ihm: das ſagt er ja nirgends, und daß
er ſich hievon zu ſchreiben nicht uͤbernimmt,
zeigen ſeine oͤfters unbeſtimmte Ausdruͤcke,
die ja nicht Philoſophie ſeyn koͤnnen. Und
doch redet der Kunſtr. vom Philoſophiren be-
ſtaͤndig; will Neues haben, wo K. an nichts
Neues denkt: proteſtirt wider Jrrthuͤmer,
ſpricht von der uͤblichen Sprache der Welt-
weiſen, und ſieht uͤberall dies Stuͤck im Auf-
ſeher, als ein Programm an, das im Namen
eines Prof. der Metaphyſik am ſchwarzen
Brette feierlich zu einem Collegio uͤber die
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* Th. 6. p. 375. 377.
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Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 3. Riga, 1767, S. 308. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_litteratur03_1767/316>, abgerufen am 21.11.2024.
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