näbert: sondern man erweckt eben Gedan- ken durch Worte: und diese erste Wörter, die wir lallen, sind die Grundsteine aller unsrer Erkänntniß. Bei allen sinnlichen Begriffen, bei den einfachen und Erfah- rungsideen verhält sich "der Ausdruck zum "Gedanken, wie die Haut zum Körper." Man versuche es, die Methoden der Sprachen in Gedanken umzukehren: alles, wobei, wenn wir die Sprache erfänden, der Aus- druck willkührlich wäre, alles dies wird mei- stens, wenn wir die Sprache lernen, unzer- trennlich verknüpft. So waren in einer Jüdischen Republik die Gesezze, die zur äus- sern Bestimmung ihres Staats gehören, und andern willkührlich vorkommen müssen, dro- hender und schwerer, als die Gesezze des all- gemeinen Naturrechts.
Da nun auf diesem Wege die menschliche Erkänntniß fortschreitet, mittelst Sachen zu- gleich Worte zu lernen, so möchten zweitens, alle die Gegenstände des Lebens, die ich sinnlich klar unterscheide, ohne mir des un- terscheidenden Merkmals deutlich bewußt zu seyn, noch den Gedanken mit dem Ausdruck
paa-
D 2
naͤbert: ſondern man erweckt eben Gedan- ken durch Worte: und dieſe erſte Woͤrter, die wir lallen, ſind die Grundſteine aller unſrer Erkaͤnntniß. Bei allen ſinnlichen Begriffen, bei den einfachen und Erfah- rungsideen verhaͤlt ſich „der Ausdruck zum „Gedanken, wie die Haut zum Koͤrper.„ Man verſuche es, die Methoden der Sprachen in Gedanken umzukehren: alles, wobei, wenn wir die Sprache erfaͤnden, der Aus- druck willkuͤhrlich waͤre, alles dies wird mei- ſtens, wenn wir die Sprache lernen, unzer- trennlich verknuͤpft. So waren in einer Juͤdiſchen Republik die Geſezze, die zur aͤuſ- ſern Beſtimmung ihres Staats gehoͤren, und andern willkuͤhrlich vorkommen muͤſſen, dro- hender und ſchwerer, als die Geſezze des all- gemeinen Naturrechts.
Da nun auf dieſem Wege die menſchliche Erkaͤnntniß fortſchreitet, mittelſt Sachen zu- gleich Worte zu lernen, ſo moͤchten zweitens, alle die Gegenſtaͤnde des Lebens, die ich ſinnlich klar unterſcheide, ohne mir des un- terſcheidenden Merkmals deutlich bewußt zu ſeyn, noch den Gedanken mit dem Ausdruck
paa-
D 2
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><p><pbfacs="#f0059"n="51"/>
naͤbert: ſondern man <hirendition="#fr">erweckt eben Gedan-<lb/>
ken durch Worte:</hi> und dieſe erſte Woͤrter,<lb/>
die wir lallen, ſind die <hirendition="#fr">Grundſteine</hi> aller<lb/>
unſrer Erkaͤnntniß. Bei allen <hirendition="#fr">ſinnlichen</hi><lb/>
Begriffen, bei den <hirendition="#fr">einfachen</hi> und <hirendition="#fr">Erfah-<lb/>
rungsideen</hi> verhaͤlt ſich „der Ausdruck zum<lb/>„Gedanken, wie die Haut zum Koͤrper.„<lb/>
Man verſuche es, die Methoden der Sprachen<lb/>
in Gedanken umzukehren: <hirendition="#fr">alles, wobei,<lb/>
wenn wir die Sprache erfaͤnden,</hi> der Aus-<lb/>
druck <hirendition="#fr">willkuͤhrlich waͤre,</hi> alles dies wird mei-<lb/>ſtens, wenn wir die Sprache <hirendition="#fr">lernen, unzer-<lb/>
trennlich verknuͤpft.</hi> So waren in einer<lb/>
Juͤdiſchen Republik die Geſezze, die zur <hirendition="#fr">aͤuſ-<lb/>ſern</hi> Beſtimmung ihres Staats gehoͤren, und<lb/>
andern willkuͤhrlich vorkommen muͤſſen, dro-<lb/>
hender und ſchwerer, als die Geſezze des all-<lb/>
gemeinen Naturrechts.</p><lb/><p>Da nun auf dieſem Wege die menſchliche<lb/>
Erkaͤnntniß fortſchreitet, mittelſt <hirendition="#fr">Sachen</hi> zu-<lb/>
gleich <hirendition="#fr">Worte</hi> zu lernen, ſo moͤchten zweitens,<lb/>
alle die <hirendition="#fr">Gegenſtaͤnde des Lebens,</hi> die ich<lb/><hirendition="#fr">ſinnlich klar</hi> unterſcheide, ohne mir des un-<lb/>
terſcheidenden Merkmals <hirendition="#fr">deutlich</hi> bewußt zu<lb/>ſeyn, noch den Gedanken mit dem Ausdruck<lb/><fwplace="bottom"type="sig">D 2</fw><fwplace="bottom"type="catch">paa-</fw><lb/></p></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[51/0059]
naͤbert: ſondern man erweckt eben Gedan-
ken durch Worte: und dieſe erſte Woͤrter,
die wir lallen, ſind die Grundſteine aller
unſrer Erkaͤnntniß. Bei allen ſinnlichen
Begriffen, bei den einfachen und Erfah-
rungsideen verhaͤlt ſich „der Ausdruck zum
„Gedanken, wie die Haut zum Koͤrper.„
Man verſuche es, die Methoden der Sprachen
in Gedanken umzukehren: alles, wobei,
wenn wir die Sprache erfaͤnden, der Aus-
druck willkuͤhrlich waͤre, alles dies wird mei-
ſtens, wenn wir die Sprache lernen, unzer-
trennlich verknuͤpft. So waren in einer
Juͤdiſchen Republik die Geſezze, die zur aͤuſ-
ſern Beſtimmung ihres Staats gehoͤren, und
andern willkuͤhrlich vorkommen muͤſſen, dro-
hender und ſchwerer, als die Geſezze des all-
gemeinen Naturrechts.
Da nun auf dieſem Wege die menſchliche
Erkaͤnntniß fortſchreitet, mittelſt Sachen zu-
gleich Worte zu lernen, ſo moͤchten zweitens,
alle die Gegenſtaͤnde des Lebens, die ich
ſinnlich klar unterſcheide, ohne mir des un-
terſcheidenden Merkmals deutlich bewußt zu
ſeyn, noch den Gedanken mit dem Ausdruck
paa-
D 2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 3. Riga, 1767, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_litteratur03_1767/59>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.