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[Herder, Johann Gottfried von]: Auch eine Philosophie der Geschichte zur Bildung der Menschheit. [Riga], 1774.

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rung, aber eben diese hielt so lange den De-
spotismus ab, (der wahre Rachen der Mensch-
heit, der alles -- wie ers nennt, in Ruhe
und Gehorsam -- aber wies ist, in Tod
und einförmige Zermalmung hinabschlingt!)
Jsts nun besser, ists für die Menschheit gefun-
der und tüchtiger,
lauter leblose Räder einer
großen, hölzernen gedankenlosen Maschine her-
vorzubringen, oder Kräfte zu wecken und zu
regen?
Sollts auch durch sogenannte un-
vollkommene
Verfassungen, Unordnung, bar-
barischen Ehrenpunkt, wilde Händelsucht

und dergleichen seyn -- wenns Zweck er-
reicht, immer besser, als lebend todt seyn
und modern.

Jndeß hatte die Vorsehung für gut befun-
den, zu dieser neuen Gährung nordsüdlicher
Säfte
noch ein neues Ferment zu bereiten und
zu zumischen -- die christliche Religion.
Jch darf doch bey unserm christlichen Jahrhun-
derte nicht erst um Verzeihung bitten, daß ich
von ihr als einer Triebfeder der Welt rede --
betrachte sie ja nur als Ferment, als
Sauerteig, zu Gutem oder zu Bösem --
wozu man noch will.

Und



rung, aber eben dieſe hielt ſo lange den De-
ſpotiſmus ab, (der wahre Rachen der Menſch-
heit, der alles — wie ers nennt, in Ruhe
und Gehorſam — aber wies iſt, in Tod
und einfoͤrmige Zermalmung hinabſchlingt!)
Jſts nun beſſer, iſts fuͤr die Menſchheit gefun-
der und tuͤchtiger,
lauter lebloſe Raͤder einer
großen, hoͤlzernen gedankenloſen Maſchine her-
vorzubringen, oder Kraͤfte zu wecken und zu
regen?
Sollts auch durch ſogenannte un-
vollkommene
Verfaſſungen, Unordnung, bar-
bariſchen Ehrenpunkt, wilde Haͤndelſucht

und dergleichen ſeyn — wenns Zweck er-
reicht, immer beſſer, als lebend todt ſeyn
und modern.

Jndeß hatte die Vorſehung fuͤr gut befun-
den, zu dieſer neuen Gaͤhrung nordſuͤdlicher
Saͤfte
noch ein neues Ferment zu bereiten und
zu zumiſchen — die chriſtliche Religion.
Jch darf doch bey unſerm chriſtlichen Jahrhun-
derte nicht erſt um Verzeihung bitten, daß ich
von ihr als einer Triebfeder der Welt rede —
betrachte ſie ja nur als Ferment, als
Sauerteig, zu Gutem oder zu Boͤſem —
wozu man noch will.

Und
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[68/0072] rung, aber eben dieſe hielt ſo lange den De- ſpotiſmus ab, (der wahre Rachen der Menſch- heit, der alles — wie ers nennt, in Ruhe und Gehorſam — aber wies iſt, in Tod und einfoͤrmige Zermalmung hinabſchlingt!) Jſts nun beſſer, iſts fuͤr die Menſchheit gefun- der und tuͤchtiger, lauter lebloſe Raͤder einer großen, hoͤlzernen gedankenloſen Maſchine her- vorzubringen, oder Kraͤfte zu wecken und zu regen? Sollts auch durch ſogenannte un- vollkommene Verfaſſungen, Unordnung, bar- bariſchen Ehrenpunkt, wilde Haͤndelſucht und dergleichen ſeyn — wenns Zweck er- reicht, immer beſſer, als lebend todt ſeyn und modern. Jndeß hatte die Vorſehung fuͤr gut befun- den, zu dieſer neuen Gaͤhrung nordſuͤdlicher Saͤfte noch ein neues Ferment zu bereiten und zu zumiſchen — die chriſtliche Religion. Jch darf doch bey unſerm chriſtlichen Jahrhun- derte nicht erſt um Verzeihung bitten, daß ich von ihr als einer Triebfeder der Welt rede — betrachte ſie ja nur als Ferment, als Sauerteig, zu Gutem oder zu Boͤſem — wozu man noch will. Und

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Zitationshilfe: [Herder, Johann Gottfried von]: Auch eine Philosophie der Geschichte zur Bildung der Menschheit. [Riga], 1774, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_philosophie_1774/72>, abgerufen am 21.11.2024.