[Herder, Johann Gottfried von]: Plastik. Riga u. a., 1778.schienen, so erscheinen sie doch an Etwas: also Es ist sonderbar, daß Hogarth, der die alle
ſchienen, ſo erſcheinen ſie doch an Etwas: alſo Es iſt ſonderbar, daß Hogarth, der die alle
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0067" n="64"/> ſchienen, ſo erſcheinen ſie doch an <hi rendition="#fr">Etwas</hi>: alſo<lb/> einem andern Sinne, alſo urſpruͤnglich <hi rendition="#fr">nicht</hi> dem<lb/> Auge. Jch begreife es wohl, daß man die auf-<lb/> ſchwebende Lichtflamme nicht taſten und das wal-<lb/> lende Meer in jeder Welle nicht als Solidum um-<lb/> faſſen kann; daraus folgt aber nicht, daß unſre<lb/><hi rendition="#fr">Seele</hi> ſie nicht umfaſſe, nicht taſte. Kurz, ſo<lb/> wie Flaͤche nur ein Abſtraktum vom Koͤrper und<lb/> Linie das Abſtrakt einer geendeten Flaͤche iſt; ſo<lb/> ſind beide <hi rendition="#fr">ohne Koͤrper</hi> nicht moͤglich.</p><lb/> <p>Es iſt ſonderbar, daß <hi rendition="#fr">Hogarth</hi>, der die<lb/> Reiz- und Schoͤnheitslinie, wie man ſagt, <hi rendition="#fr">erfand</hi>,<lb/> ſo wenig Reiz und Schoͤnheit <hi rendition="#fr">mahlte</hi>. Seine<lb/> Formen ſind meiſtens haͤßliche Carrikatur, aber<lb/> voll Charakter, Leidenſchaft, Leben, Wahrheit,<lb/> weil dieſe auf ihn drang, weil die ſein Genius le-<lb/> bendig <hi rendition="#fr">erfaßte</hi>. Er zeigte thaͤtlich, was die ge-<lb/> ſunde Theorie noch mehr beſtaͤrkt, daß alle Um-<lb/> riſſe und Linien der Mahlerei von <hi rendition="#fr">Koͤrper</hi> und<lb/><hi rendition="#fr">lebendigem Leben</hi> abhangen, und daß, wenn<lb/> dieſe Kunſt nur Anſchein deſſen in einer Flaͤchen-<lb/> figur giebt, dies nur daher komme, weil ſie nicht<lb/> mehr geben kann. Jhr Sinn und ihr Medium,<lb/><hi rendition="#fr">Geſicht</hi> und <hi rendition="#fr">Licht</hi> verbieten, mehr zu geben; ſie<lb/> kaͤmpft aber, ſo viel ſie kann, mit beiden, um<lb/> die Figur vom Grunde zu reißen und der Phan-<lb/> taſie Flug zu geben, daß ſie nicht mehr <hi rendition="#fr">ſehe</hi>,<lb/> ſondern <hi rendition="#fr">genieße, taſte, fuͤhle</hi>. Folglich ſind<lb/> <fw place="bottom" type="catch">alle</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [64/0067]
ſchienen, ſo erſcheinen ſie doch an Etwas: alſo
einem andern Sinne, alſo urſpruͤnglich nicht dem
Auge. Jch begreife es wohl, daß man die auf-
ſchwebende Lichtflamme nicht taſten und das wal-
lende Meer in jeder Welle nicht als Solidum um-
faſſen kann; daraus folgt aber nicht, daß unſre
Seele ſie nicht umfaſſe, nicht taſte. Kurz, ſo
wie Flaͤche nur ein Abſtraktum vom Koͤrper und
Linie das Abſtrakt einer geendeten Flaͤche iſt; ſo
ſind beide ohne Koͤrper nicht moͤglich.
Es iſt ſonderbar, daß Hogarth, der die
Reiz- und Schoͤnheitslinie, wie man ſagt, erfand,
ſo wenig Reiz und Schoͤnheit mahlte. Seine
Formen ſind meiſtens haͤßliche Carrikatur, aber
voll Charakter, Leidenſchaft, Leben, Wahrheit,
weil dieſe auf ihn drang, weil die ſein Genius le-
bendig erfaßte. Er zeigte thaͤtlich, was die ge-
ſunde Theorie noch mehr beſtaͤrkt, daß alle Um-
riſſe und Linien der Mahlerei von Koͤrper und
lebendigem Leben abhangen, und daß, wenn
dieſe Kunſt nur Anſchein deſſen in einer Flaͤchen-
figur giebt, dies nur daher komme, weil ſie nicht
mehr geben kann. Jhr Sinn und ihr Medium,
Geſicht und Licht verbieten, mehr zu geben; ſie
kaͤmpft aber, ſo viel ſie kann, mit beiden, um
die Figur vom Grunde zu reißen und der Phan-
taſie Flug zu geben, daß ſie nicht mehr ſehe,
ſondern genieße, taſte, fuͤhle. Folglich ſind
alle
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