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[Herder, Johann Gottfried von]: Plastik. Riga u. a., 1778.

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same Einfalt mag euch eure glorificirte Jdeale
und Anubisgestalten, ausgemahlte Silhouetten
und silhouettische Gemählde noch eine Zeitlang
gern schenken. --

Doch gnug geredet. Wir treten an eine Bild-
säule, wie in ein heiliges Dunkel, als ob wir jetzt
erst den simpelsten Begriff und Bedeutung der
Form
und zwar der edelsten, schönsten, reichsten
Form, eines Menschlichen Körpers, uns erta-
sten müßten. Je einfacher wir dabei zu Werk
gehen, und wie dort Hamlet sagt, alle Alltags-
Kopien und das Gemahl und Gekritzel von Buch-
staben und Zügen aus unserm Gehirn wegwi-
schenm): desto mehr wird das stumme Bild zu
uns sprechen und die heilige Kraftvolle Form,
die aus den Händen des größten Bildners kam
und von seinem Hauch durchwehet dastand, sich
unter der Hand, unter dem Finger unsers innern
Geistes beleben. Der Hauch dessen, der schuf,
wehe mich an, daß ich bei seinem Werk bleibe,
treu fühle und treu schreibe! --



Was im Haupt, unter dem Schädel eines
Menschen wohne, welche Hand kann es fassen!

welch
m) -- all trivial fond records
all saws of books,
--
E 2

ſame Einfalt mag euch eure glorificirte Jdeale
und Anubisgeſtalten, ausgemahlte Silhouetten
und ſilhouettiſche Gemaͤhlde noch eine Zeitlang
gern ſchenken. —

Doch gnug geredet. Wir treten an eine Bild-
ſaͤule, wie in ein heiliges Dunkel, als ob wir jetzt
erſt den ſimpelſten Begriff und Bedeutung der
Form
und zwar der edelſten, ſchoͤnſten, reichſten
Form, eines Menſchlichen Koͤrpers, uns erta-
ſten muͤßten. Je einfacher wir dabei zu Werk
gehen, und wie dort Hamlet ſagt, alle Alltags-
Kopien und das Gemahl und Gekritzel von Buch-
ſtaben und Zuͤgen aus unſerm Gehirn wegwi-
ſchenm): deſto mehr wird das ſtumme Bild zu
uns ſprechen und die heilige Kraftvolle Form,
die aus den Haͤnden des groͤßten Bildners kam
und von ſeinem Hauch durchwehet daſtand, ſich
unter der Hand, unter dem Finger unſers innern
Geiſtes beleben. Der Hauch deſſen, der ſchuf,
wehe mich an, daß ich bei ſeinem Werk bleibe,
treu fuͤhle und treu ſchreibe! —



Was im Haupt, unter dem Schaͤdel eines
Menſchen wohne, welche Hand kann es faſſen!

welch
m)all trivial fond records
all ſaws of books,
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[67/0070] ſame Einfalt mag euch eure glorificirte Jdeale und Anubisgeſtalten, ausgemahlte Silhouetten und ſilhouettiſche Gemaͤhlde noch eine Zeitlang gern ſchenken. — Doch gnug geredet. Wir treten an eine Bild- ſaͤule, wie in ein heiliges Dunkel, als ob wir jetzt erſt den ſimpelſten Begriff und Bedeutung der Form und zwar der edelſten, ſchoͤnſten, reichſten Form, eines Menſchlichen Koͤrpers, uns erta- ſten muͤßten. Je einfacher wir dabei zu Werk gehen, und wie dort Hamlet ſagt, alle Alltags- Kopien und das Gemahl und Gekritzel von Buch- ſtaben und Zuͤgen aus unſerm Gehirn wegwi- ſchen m): deſto mehr wird das ſtumme Bild zu uns ſprechen und die heilige Kraftvolle Form, die aus den Haͤnden des groͤßten Bildners kam und von ſeinem Hauch durchwehet daſtand, ſich unter der Hand, unter dem Finger unſers innern Geiſtes beleben. Der Hauch deſſen, der ſchuf, wehe mich an, daß ich bei ſeinem Werk bleibe, treu fuͤhle und treu ſchreibe! — Was im Haupt, unter dem Schaͤdel eines Menſchen wohne, welche Hand kann es faſſen! welch m) — all trivial fond records all ſaws of books, — E 2

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Zitationshilfe: [Herder, Johann Gottfried von]: Plastik. Riga u. a., 1778, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_plastik_1778/70>, abgerufen am 18.05.2024.