Heyse, Paul: Novellen. Berlin, 1855.der Blinden auf der Treppe. Die Thür ging auf "Liebe Marlene." sagte er, "ich bin wieder hier. "Seit dem Frühling bin ich wieder aufgelebt. Der Die jungen Leute gingen. "Was hat der Vater?" "Ich fand ihn aufgeregt; sein Blut scheint ihm 4
der Blinden auf der Treppe. Die Thür ging auf „Liebe Marlene.“ ſagte er, „ich bin wieder hier. „Seit dem Frühling bin ich wieder aufgelebt. Der Die jungen Leute gingen. „Was hat der Vater?“ „Ich fand ihn aufgeregt; ſein Blut ſcheint ihm 4
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0061" n="49"/> der Blinden auf der Treppe. Die Thür ging auf<lb/> und mit gerötheten Wangen ſtand Marlene auf der<lb/> Schwelle. „Clemens!“ ſagte ſie und heftete die heitern<lb/> braunen Augen auf die Stelle, wo er wirklich ſtand.<lb/> Er näherte ſich ihr und faßte die Hand, die ſeiner<lb/> wartete. „Welche Freude haſt du den Eltern gemacht!<lb/> Willkommen! willkommen! — Du biſt ſo ſtill!“ fuhr<lb/> ſie fort.</p><lb/> <p>„Liebe Marlene.“ ſagte er, „ich bin wieder hier.<lb/> Ich mußte euch wieder ſehn. Du ſiehſt wohl aus,<lb/> du biſt noch größer geworden.“ —</p><lb/> <p>„Seit dem Frühling bin ich wieder aufgelebt. Der<lb/> Winter war ſchwer. Es geht mir ſo wohl bei deinen<lb/> Eltern, Clemens. Guten Tag, lieber Vater,“ ſagte<lb/> ſie dann; „wir ſind früh am Morgen hinausgegangen,<lb/> ich konnte Euch noch keine Hand geben.“ — Sie reichte<lb/> ſie ihm jetzt. „Geh hinunter, mein Kind,“ ſagte der<lb/> Alte; „Clemens wird dich begleiten; du kannſt ihm<lb/> deinen Garten zeigen. Bis zu Mittag iſt noch eine<lb/> kleine Friſt. Denk' an meine Worte, Clemens!“</p><lb/> <p>Die jungen Leute gingen. „Was hat der Vater?“<lb/> fragte das Mädchen, als ſie unten waren. „Seine<lb/> Stimme klang ſeltſam, auch deine. Hatte er was<lb/> mit dir?“</p><lb/> <p>„Ich fand ihn aufgeregt; ſein Blut ſcheint ihm<lb/> wieder zu ſchaffen zu machen. Hat er nicht geklagt<lb/> die Tage her?“<lb/></p> <fw place="bottom" type="sig">4<lb/></fw> </div> </div> </body> </text> </TEI> [49/0061]
der Blinden auf der Treppe. Die Thür ging auf
und mit gerötheten Wangen ſtand Marlene auf der
Schwelle. „Clemens!“ ſagte ſie und heftete die heitern
braunen Augen auf die Stelle, wo er wirklich ſtand.
Er näherte ſich ihr und faßte die Hand, die ſeiner
wartete. „Welche Freude haſt du den Eltern gemacht!
Willkommen! willkommen! — Du biſt ſo ſtill!“ fuhr
ſie fort.
„Liebe Marlene.“ ſagte er, „ich bin wieder hier.
Ich mußte euch wieder ſehn. Du ſiehſt wohl aus,
du biſt noch größer geworden.“ —
„Seit dem Frühling bin ich wieder aufgelebt. Der
Winter war ſchwer. Es geht mir ſo wohl bei deinen
Eltern, Clemens. Guten Tag, lieber Vater,“ ſagte
ſie dann; „wir ſind früh am Morgen hinausgegangen,
ich konnte Euch noch keine Hand geben.“ — Sie reichte
ſie ihm jetzt. „Geh hinunter, mein Kind,“ ſagte der
Alte; „Clemens wird dich begleiten; du kannſt ihm
deinen Garten zeigen. Bis zu Mittag iſt noch eine
kleine Friſt. Denk' an meine Worte, Clemens!“
Die jungen Leute gingen. „Was hat der Vater?“
fragte das Mädchen, als ſie unten waren. „Seine
Stimme klang ſeltſam, auch deine. Hatte er was
mit dir?“
„Ich fand ihn aufgeregt; ſein Blut ſcheint ihm
wieder zu ſchaffen zu machen. Hat er nicht geklagt
die Tage her?“
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